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Mittwoch, 31.03.2010
Türkeibesuch von Bundeskanzlerin Merkel
Ministerpräsident Erdogan: „Unglaublich erfolgreich". Streit über türkische Schulen vom Tisch. Verbesserungen bei der Visa-Erteilung geplant. Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Streitigkeit herrscht nach wie vor über den türkischen EU-Beitritt.
Nachdem es im Vorfeld des Türkeibesuchs von Kanzlerin Merkel einige Verstimmungen zu geben schien, bezeichnete der türkische Ministerpräsident Merkels Besuch gestern als "unglaublich erfolgreich". Beobachter waren kaum überrascht von den vorangegangen vermeintlichen Irritationen, stünden doch in Nordrhein-Westfalen und im kommenden Frühjahr in der Türkei Wahlen an, sodass jede Regierung innenpolitisch punkten wolle.
Beim dem Besuch von Kanzlerin Merkel waren die Zeichen schon wieder auf Entspannung. Der Streit über türkische Schulen sei vom Tisch. Merkel besuchte eine deutsche Schule in der Türkei – mit deutscher Unterrichtssprache und deutschem Abitur. Was hier möglich ist, müsse auch in Deutschland machbar sein, hatte die Kanzlerin bereits Anfang der Woche angekündigt, nachdem Erdogan zunächst für seinen Vorstoß Kritik von deutscher Seite erntete. In Istanbul soll auch eine türkisch-deutsche Universität entstehen. Deutschland würde die Dozenten für die etwa 5000 Studenten der geplanten Hochschule stellen und den Lehrplan entwickeln. Unterrichtssprache soll Deutsch werden. In Izmir soll im kommenden Jahr zudem eine deutsch-türkische Stiftungsuniversität den Lehrbetrieb aufnehmen.
Verbesserungen soll es bei der Visa-Erteilung geben. Bundeskanzlerin Merkel sprach sich hierbei für Erleichterungen für türkische Bürger in der Europäischen Union aus. Davon sollten Wirtschaftsvertreter, Akademiker, Künstler und Studenten profitieren, sagte Merkel bei einem deutsch-türkischen Wirtschaftsforum in Istanbul. Mit Hinblick auf die Praxis bei anderen EU-Beitrittskandidaten will Ankara Visumsfreiheit.
Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan setzt auf den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Deutschland. Deutschland sei natürlicher Partner der Türkei. Sein Land wolle eine strategische Kooperation, sagte er auf dem Wirtschaftsforum.
Streitigkeit herrscht nach wie vor über den türkischen EU-Beitritt.
In der Frage des türkischen EU-Beitritts blieben die Differenzen zwischen Merkel und Erdogan dagegen bestehen. Die Kanzlerin schlägt der Türkei eine "privilegierte Partnerschaft" als Ersatz einer EU-Vollmitgliedschaft vor, was Ankara ablehnt. Merkel räumte ein, ihr Vorschlag habe in der Türkei "keine gute Konnotation".
Erdogan bekräftigte auf dem Wirtschaftsforum mit Merkel den Wunsch nach einem Beitritt zur Europäischen Union. "Wir wollen nicht Last sein, wir wollen die Lasten teilen", sagte er.
In Deutschland verlangt die FDP unterdessen ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die grundsätzliche Ablehnung des Beitritts durch zahlreiche Vertreter der CDU und CSU stehe nicht im Einklang mit dem Koalitionsvertrag, sagte der europapolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Michael Link, der „Süddeutschen Zeitung“ vom Mittwoch. „Wir würden uns wünschen, dass die Kanzlerin den Koalitionsvertrag auch in der eigenen Partei durchsetzt“, sagte Link.
Wie bei einem „Pawlowschen Reflex“ werde mit dem Thema Türkei innenpolitisch Stimmung gemacht, beklagte der FDP-Politiker. Das sei so, obwohl die Entscheidung über eine EU-Mitgliedschaft erst in vielen Jahren anstehe. „Die Kritiker der Beitrittsverhandlungen verkennen, dass die Türkei enorm an strategischer Bedeutung gewonnen hat“, sagte Link. „Und sie verkennen, dass wir eigentlich schon längst eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei haben.“