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Donnerstag, 10.12.2009

Mär der Zwei-Staaten-Lösung und des palästinsischen Existenzrechtes

56 Botschafter fordern Rücknahme der Siedlungspolitik, mehr Druck auf Israel durch Deutschland und dass Hamas in den "politischen Prozess" einbezogen müsse - Israel unterläuft weiterhin den Baustopp – Ägypten baut Mauer um „Gaza-Gefängnis“

Deutschland habe sich zum Schutz der Sicherheit Israels "als geschichtliches Vermächtnis" verpflichtet und deshalb fordern frühere deutsche Spitzendiplomaten ein Umdenken in der Nahost-Politik und eine härtere Gangart gegenüber Israel.

In Briefen an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mahnten die Ex-Botschafter eine entschlossenere Haltung gegen die israelische Siedlungspolitik an. "Israel wird nicht darauf hoffen können, sowohl den Frieden zu gewinnen als auch die palästinensischen Territorien zu behalten", heißt es in einem Positionspapier der Gruppe, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es trägt die Unterschrift von 24 ehemaligen deutschen Botschaftern, unter ihnen der einstige BND-Chef Hans-Georg Wieck. Initiator ist der frühere deutsche Botschafter in Jordanien, Martin Schneller.
Deutschland habe sich zum Schutz der Sicherheit Israels "als geschichtliches Vermächtnis" verpflichtet, betonen die Ex-Botschafter. Eine wirkliche Sicherheit könne jedoch "nur auf politischem Wege hergestellt werden, nicht durch Besetzung und Besiedlung oder das Vertrauen auf militärische Überlegenheit, sondern durch einen Rückzug aus den besetzten Gebieten und eine darauf folgende palästinensische Staatlichkeit".

Verschiedene Bundesregierungen haben immer wieder die aus dem Holocaust resultierende besondere Verantwortung für Israel betont. In Israel gilt Deutschland mittlerweile als verlässlichster Verbündeter in Europa. Zuletzt hatte Außenminister Westerwelle bei seinem Antrittsbesuch in Jerusalem Kontinuität versprochen. Ohne die deutsch-jüdische Vergangenheit zu vergessen, müsse sich die deutsche Nahostpolitik nun "an den dringenden Erfordernissen der Zukunft orientieren", fordern die früheren Botschafter.

Der Nahost-Konflikt bilde einen "Nährboden für extremistische Bewegungen, welche die öffentliche Sicherheit nicht nur in der Region selbst, sondern auch in Europa und in anderen Teilen der Welt ernsthaft gefährden", warnen die Autoren. In Israel und den palästinensischen Gebieten sei eine Radikalisierung zu beobachten, welche die gemäßigten Kräfte in der Region schwäche.

Konkret wird in dem Positionspapier eine "entschlossene Gangart" gegenüber Israelis wie auch Palästinensern zur Durchsetzung der Zwei-Staaten-Lösung gefordert. So könnten "die Aufrechterhaltung bestimmter Vergünstigungen oder Transferleistungen an die eine oder andere Seite, aber auch eine stärkere Annäherung an die Europäische Union von konkreten Fortschritten bei der Konfliktbereinigung abhängig gemacht werden". Die von Israel und großen Teilen der internationalen Gemeinschaft als Verhandlungspartner abgelehnte radikalislamische Hamas müsse in den "politischen Prozess" eingebunden, die Grenzübergänge zum Gazastreifen müssten dauerhaft geöffnet werden.

Von einer " Existenzbedrohung Israels durch einen Staat der Palästinenser" kann nach Auffassung der ehemaligen Botschafter "nicht mehr ernsthaft gesprochen werden". Vielmehr berge eine Fortsetzung den Konfliktes "unvorhersehbare Risiken".

Neue Bauten im Westjordanland bewilligt und Palästinenser verlieren in Ostjerusalem Aufenthaltsrecht

Die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat trotz eines angekündigten zehnmonatigen Baustopps weitere 84 Wohneinheiten im besetzten Westjordanland gebilligt. Dies berichtete das israelische Radio.

Netanyahu hatte den Baustopp vor einer Woche angekündigt. Davon ausgenommen sind jedoch öffentliche Gebäude wie Schulen und Kindergärten sowie 300 Wohneinheiten, auf deren Bau sich Israel gegen die Proteste der Palästinenser bereits mit der amerikanischen Regierung verständigt hatte.
In Ost-Jerusalem verlieren zudem immer mehr Palästinenser ihr Aufenthaltsrecht. Binnen Jahresfrist sei 4577 Bewohnern Ost- Jerusalems aufgrund der bestehenden Regelungen ihr Aufenthaltsrecht entzogen worden, teilte eine Sprecherin des Innenministeriums am Mittwoch mit.

Nach einer Zusammenstellung der Tageszeitung «Haaretz» waren seit dem Beginn der israelischen Besetzung des Ostteils der Stadt im Juni 1967 bis zum Jahr 2007 insgesamt 8558 Palästinenser in dieser Weise ausgebürgert worden.
Die israelische Regierung verlangt von Palästinensern, die als Bürger Ost-Jerusalems gelten wollen, dass sie sich dort vorwiegend aufhalten. Wer länger als sieben Jahre nicht in Israel lebt oder eine andere Staatsbürgerschaft annimmt, verliert das Aufenthaltsrecht.

Der blaue Ausweis der Palästinenser in Ost-Jerusalem berechtigt zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen, etwa Kindergeld und Gesundheitsversorgung, und zur Beteiligung an Kommunalwahlen.

Die Besetzung Ost-Jerusalems durch Israel ist international nicht anerkannt. Fast 200'000 jüdische Siedler haben sich seit dem Beginn der Besetzung im Ostteil der Stadt niedergelassen. Der Status Ost- Jerusalems ist einer der wichtigsten Streitpunkte bei den zahlreichen Anläufen zur Beilegung des Nahost-Konflikts.

Ägypten baut Mauer am Gazastreifen – „Gaza- Gefängnis wird weiter umzäunt“

Die ägyptischen Sicherheitskräfte rammen an der Grenze zum palästinensischen Gazastreifen Metallteile für eine unterirdische Mauer in den Boden, um den Waffenschmuggel in den Gazastreifen zu beenden. Das bestätigten mehrere Augenzeugen in der ägyptischen Grenzstadt Rafah am Donnerstag der Deutschen Presse- Agentur dpa. Die ägyptischen Behörden hatten entsprechende Medienberichte aus Israel zuvor dementiert. Die Augenzeugen erklärten, die ersten Bauarbeiten seien bereits vor sechs Monaten in Angriff genommen worden. Die Arbeiter und Ingenieure seien dabei einen 15 Kilometer langen unterirdischen Wall unter der Erde zu verlegen, der aus fünf Zentimeter dicken Stahlplatten besteht. Nach dem 22-tägigen Gazakrieg, der im Dezember 2008 begonnen hatte, waren unter anderem deutsche und amerikanische Experten auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel unterwegs gewesen, um gemeinsam mit den Ägyptern einen Plan auszuarbeiten, der den Schmuggel von Waffen über Ägypten in den Gazastreifen beenden soll.

Nach inoffiziellen Angaben von Augenzeugen, soll die rund 100 Meter von der Grenze entfernt installierte Metallwand nach der Fertigstellung 18 Meter tief in den Boden reichen. Da Ägypten den Übergang Rafah an der Grenze zum Gazastreifen seit einiger Zeit nur noch sporadisch öffnet, werden durch die Schmugglertunnel inzwischen nicht nur Waffen für die radikale Palästinenserbewegung Hamas transportiert, sondern auch Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs.
(Quelle: dpa, afp, "Süddeutsche", Eigene)