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Mittwoch, 07.10.2009

Nigeria: Ein Erzbischof und ein Emir zusammen für Frieden und Verständigung - Von Erhard Brunn

„Manche Leute bezeichnen uns als die Zwillinge“

„Manche haben uns irgendwann begonnen als Freunde zu bezeichnen, andere als Brüder, andere sprechen von uns als den Zwillingen“, sagt der Emir. „Richtig ist, dass wir bereits bei unserem ersten Zusammentreffen gemerkt haben, dass wir seelenverwand sind, und dass Gott will, dass wir einen gemeinsamen Weg gehen.“ Und dies ist der Weg der Versöhnung von Christen und Muslimen in der Plateau-Region Nigerias, in der es seit Jahren scheinbar immer wieder Konflikte zwischen Gläubigen der beiden Religionen gibt. Allein im November 2008 kam es zu Zwischenfällen mit 300 Toten. Der Erzbischof sagt, “ ich hätte gedacht, dass so etwas nie wieder bei uns passieren kann.“

Aber sind es wirklich Christen und Muslime, die da gegeneinander stehen? Erzbischof Ignatius Kaigama meint, „Christen und die Muslime sind die zwei großen Bevölkerungsgruppen der Region. Gibt es einen Konflikt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer Christ, der andere Muslim ist, hoch. Aus politischen und wirtschaftlichen Gründen wird dies sofort von bestimmten Kräften ausgenutzt, um Zwietracht zu sähen.

Viele der Konflikte haben damit zu tun, dass es große Bevölkerungsbewegungen in Nigeria gibt. Aber auch nach Jahrzehnten in einer neuen Stadt, werden den „Siedlern“ nicht die vollen Bürgerrechte zugebilligt, wie gleiche Beschäftigungsmöglichkeiten bei den Behörden oder beim Schulzugang für die Kinder. Nicht selten sind diese Dazugezogenen erfolgreiche Geschäftsleute oder auch Farmer. Gerade sie wollen ihre Benachteiligung nicht hinnehmen. Der Emir: „Gerade im Norden muss die Politik Zeichen setzen für die Gleichbehandlung neuer Bürger und der Alteingesessenen.“

Und es sind die jungen Menschen, vor allem die jungen Männer, die gerne aufgehetzt werden, diese Konflikte ausfechten.“ Und der Emir sagt entschieden: „Der Islam ist eine Religion des Friedens. Man kann nicht Muslim sein und gleichzeitig zur Gewalt gegen Andersgläubige aufrufen bzw. sogar direkt gewalttätig werden.“ Dem Erzbischof und Emir Alhaji Haruna Abdullahi ist dies besonders wichtig: „Es gibt so viele junge Menschen bei uns für deren schulische Ausbildung, ja das Studium, ihre Familien sehr viel investiert haben. Aber nach dem Schulabschluss erwartet die wenigsten eine qualifizierte Arbeit, bzw. ein feiner Bürojob. Die meisten finden überhaupt keine formelle Tätigkeit und sie müssen zurück ins Elternhaus. Und andere haben von Anfang weder eine schulische noch berufliche Ausbildung. Diese sehr große Gruppe hoffnungsloser junger Leute ist leicht zu verführen und von jemandem, der ihnen auch nur ein bisschen Geld gibt, zu manipulieren.“

„Und“, so der Emir “sie sehen Satellitenfernsehen und hören Nachrichten aus der ganzen Welt. Durch die Globalisierung schwindet auch der Einfluss der Familien und der religiösen Führer, auf diese jungen Leute. Und der nigerianische Statt könne weder diesen Jugendlichen eine Perspektive bieten, noch sei er bereit, die von den religiösen Führern empfohlene Umorientierung der Lehrpläne voranzubringen. Der Emir: „Die Lehrpläne sollten praktischer werden und die jungen Leute darauf orientieren, dass auch die Landwirtschaft, der Handel oder das Handwerk ein Auskommen ermöglichen könnten.“

Aber auch sonst, fällt das gemeinsame Urteil in Bezug auf den Staat schlecht aus. „Auch bei anderen Krisen und Problemen in unserem Land würde man denken, dass auch die Vertreter des Staates deren Aufkommen beobachten und darauf reagieren.“ Der Erzbischof: „Aber wenn ein Problem wirklich groß geworden ist, stellt man immer wieder fest, dass die Behörden die bisherige Zeit nicht genutzt haben, Werkzeuge für den Notfall vorzubereiten.“ So haben die nigerianischen katholischen Bischöfe vor wenigen Wochen nach den gewalttätigen Zusammenstößen mit der islamistischen Sekte Boko Haram im Nordosten des Landes die Behörden kritisiert, nicht von sich aus auf die sich stetig aufbauende Bedrohung reagiert zu haben. Oder während und nach den blutigen Zusammenstößen im Jahr 2004 in Yelwa und Shendam.

Beide haben sich seither noch intensiver darum bemüht, Brücken zwischen den religiösen Gruppen aufzubauen. Als bei Zusammenstößen Anfang des Jahrtausends auch viele Muslime auf die Gelände katholischer Institutionen flüchten konnten und dort ebenso Wasser und Lebensmittel erhielten, wie die Christen, wurde dies durchaus positiv von manchen muslimischen Führern registriert. Eines Tages fuhr daher der alte Emir spontan zum jungen Bischof und besuchte ihn unangekündigt zuhause. Ein langes, gutes Gespräch war die Folge und der Entschluss sich in Zukunft zusammen für Gerechtigkeit und gegen Manipulation und Gewalt einzusetzen.

Als es dann zum Konflikt zwischen christlichen Bauern und muslimischen Nomaden in der Region um Yelwa und Shendam kam, fühlten die beiden sich berufen, jetzt den Unterschied zu machen. Gemeinsam fuhren sie in die Region, versuchten der Gewalt Herr zu werden, die Menschen wieder ins Gespräch und somit auch zur öffentlichen Bekenntnis ihrer Untaten zu bewegen. „Und dies alles ohne Absprache mit den Behörden. Die kamen auch hier erst später ins Spiel.“ Und wohl auch zum ganzen Teil ohne große Absprachen mit den religiösen Strukturen für die die beiden stehen „, so der Erzbischof. Eine gute Zusammenarbeit gab es hingegen mit dem traditionellen Herrschern der Region. Unser Auftreten war so ungewöhnlich, dass die Bilder von uns zusammen in Yelwa immer wieder im Fernsehen gebracht wurden.

Aber stehen denn die anderen religiösen Führer so hinter ihnen? Der Erzbischof: „Das fällt manchen Priestern allerdings schwer. Immerhin sind auch schon Priester und auch Imame in diesen Konflikten ums Leben gekommen. Da gibt es viel Bitterkeit in deren Gemeinden. Und auch uns zweien wird nach solchen Zwischenfällen vorgeworfen, gescheitert zu sein.“
Den Besuch der katholischen deutschen Bischöfe vor kurzem in Nigeria empfand der Emir bereits als große Freude, gerade das Zusammentreffen mit Erzbischof Zollitsch und Prälat Klaus Krämer. „Es war ein sehr gutes Zeichen, dass er mich besuchte und sich von mir überreden lies, gleich den Kontakt zu weiteren muslimischen Würdenträgern aufzunehmen.“

Dies Beispiel einer großen Friedens- und Dialogfreundschaft bringt die beiden, mithilfe missios, jetzt nach Deutschland. „Ja, wir wollen ein Beispiel geben, wie zwei hohe Repräsentanten des Islams und der katholischen Kirche so eng zusammenarbeiten können, die Gott dazu berufen hat. „ Wir wollen auch Erfahrungen austauschen“, sagt der Imam, „und lernen. „Schon aus den ersten Stunden in Deutschland habe ich wichtige Eindrücke nach Nigeria mitzunehmen. Es gibt hier z.B. so viele Moscheen. Das würden die Muslime in Nigeria nicht vermuten. Und es gibt viele gemeinsame Strukturen von Christen und Muslimen. Darüber möchte ich in Nigeria berichten. Und wir möchten herausfinden, warum hier bestimmte Sachen gut funktionieren zwischen Christen und Muslimen. Wir können voneinander lernen.“ Und er sollte viele Muslime mit der Darstellung seiner Erfahrungen erreichen können. Denn zu den vielen seiner weltlichen und religiösen Verantwortungen gehört auch der des stellvertretenden Vorsitzenden der höchsten muslimischen Organisation im Lande, Jama’tu Nasril Islam (JNI).