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Leserbriefe

Mittwoch, 12.08.2009



T. Hettinger schrieb:
"Marwa al-Sherbini, selbst auch im Tod für uns ein Vorbild"

Verzeihung, wenn ich als Mitglied der Glaubensgesellschaft auftrete, die hier als Mehrheit gesehen wird - und aus deren Mitte ein Mitglied das Recht über Leben und Tod in seine Hand genommen - und unendlich viel fast unbeschreibbares Leid verbreitet hat, das so durch nichts zu rechtfertigen ist; weit über die Familie von Marwa al- Sherbini, der ich hiermit mein Mitgefühl ausdrücken möchte (es nur nicht weiss, wie; um so mehr, da ich eben kein Moslem, sondern eben (noch / nur) Christ bin (jedoch eher auch noch Buddhistisch orientiert ist)).

Jedoch aus - oder gerade wegen - folgender Überlegung schöpfe ich (so anmassend und verrückt dies in diesem Augenblick und in diesem Zusammenhang klingen mag) die Hoffung, dass das Opfer, Marwa al-Sherbini, selbst auch im Tod für uns ein Vorbild sein kann und sein müsste. Ich vermeide "Muslima" in diesem Sinne bewusst, da sie somit auch um so mehr eben Teil des sie umgebende Umfelds (der Mehrheit, an deren Werden und Wirken auch sie aktiv teilgenommen hat durch ihre Arbeit und ihre Familie) ist und bleibt, ohne dass dabei ihre Weltanschauung / ihre religiöse Einstellung und ihr religiöses Leben gemindert werden wird / sollte - somit eben nicht vordringlich wegen ihrer Religion, sondern gerade eben wegen ihrer Person und Persönlichkeit an sich sie ein Vorbild für uns alle (egal welcher Herkunft oder / und Weltanschauung) ist und bleibt.

Sie hat sich hier in dieser Gesellschaft integriert - ohne sich selbst zu verleugnen, allein das ist eine Fähigkeit, die manche Mitbürger kaum schaffen - egal wo sie leben (von manchen Politikern (egal wo und in welcher Position) ganz zu schweigen).

Sie hat einen Beruf erlernt, vor dem sich manche Frauen selbst hier und heute noch immer zuweilen zieren - sie hat studiert, und den Abschluss auch mit Erfolg erreicht. Sie hat anderen Frauen also Mut gemacht, den Blick nach oben / vorn nie
aufzugeben.

Und sie hat es gewagt, sich auch noch einem Mann mit Widerspruch entgegen zu setzen - um so mehr, als sie sich bewusst war, dass sie nicht gerade zur "Mehrheit" gehört.

Weil sie mit Recht auf das ihr zustehende Recht vertraute - und auch (weit über ihren Tod hinaus) dafür einstand. Sie hat sich für Ihre (von der Verfassung der BRD zugesicherten) Rechte eingesetzt - und hofft sicher (selbst im Tode), dass eben auch diese Gesetze eingehalten werden, für die sie eben auch mit dem Leben bezahlt hat.

Sie ist für Ihren Glauben - in ihre Religion, aber auch dem Wertesystem, in dem sie gelebt und gewirkt hat, eingetreten - bis zum Ende (auch unterstützt von ihrem Mann und ihrer Familie, was so auch nicht alltäglich ist).

Sie hat damit (gemeinsam mit ihrer Familie) einen Einsatz / Glauben und Vertrauen bewiesen, der leider in unserer heutigen Zeit zuweilen fehlt.

Auch wenn ich sie selbst nicht kenne - und (leider) nicht kennenlernen werde - wage ich zu folgendes behaupten:

Marwa al- Sherbini glaubte an die Rechtsstaatlichkeit dieses Landes, sie glaubte, dass sie hier frei ihren Glauben leben kann (eben anders ist als die "Mehrheit"), weil und soweit sie eben auch die Freiheit des anderen respektiert (sie bat ihren späteren Mörder bei ihrem ersten "Treffen", dass er den Paltz frei gibt auf der Schaukel - für ihren Sohn).
Frau Marwa al-Sherbini hat sich sicher nicht bei Einklagen ihrer Rechte dafür eingesetzt, dass daraus wieder Hass entsteht - es wäre m.E. so, als ob man sie nochmals ermordet.


Marwa vertraute / glaubte auch an diese Sätze im tiefsten ihres Herzens - und hat sie eben m.E. auch so gelebt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (der Mörder von Frau Marwa al-Sherbini wird seine Strafe bekommen, auch wenn er sie (diese Strafe) nicht verstehen wird / will)
(3) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(4) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(5) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
(6) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(7) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(8) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(9) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung,
die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Sie stammen aus dem Gesetz, das die Grundlage bildet für den Staat, in dem wir alle hier leben - und das somit dieses Zusammenleben erst ermöglicht und garantiert - und an die eben auch Marwa glaubt-e /vertraut-e: unserer Verfassung.

Ich weiss (oder kann mir vorstellen), dass für Muslime dies eine Art Beleidigung darstellt. Aber - seien Sie versichert : es soll keine (weitere) Verletzung oder gar Missionierung sein.
Es stammt aus den Grundlagen unseres (christlichen) Glaubens, die mir, wenn ich die eine oder andere Mail hier lese, recht gleich klingt (also gar nicht so "falsch" ist - nur eben anders "ausgesprochen" wird):

Das Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5
Die Bergpredigt: Die Rede von der wahren Gerechtigkeit: 5,1 - 7,29
Die Seligpreisungen

Jesus sagte:
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um des Höchsten Willen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.

Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.
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Amen


In diesem Sinne - übersetzt in unsere Sprache (wohl auch aus den Begriffen Islam und Salemaleikum)

Friede sei mit Euch - und all den Euren.
Für eine bessere und friedvollere / verständinsvollere Welt - durch die rechtschaffene Taten und Worte jedes einzelnen unter uns.

Mögen wir nie den Glauben an das Bessere im Menschen verlieren - und so das Andenken an Marwa lebendig halten.