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Donnerstag, 14.05.2009
Rupert Neudeck: Ein nimmermüder Menschenfischer wird 70!
"Seine Mission ist die Menschenrettung im Namen der Menschlichkeit und aller Religionen"
Lob und Dank um seine Person mag er eigentlich weniger - dafür hat er wohl gewichtige Gründe: Erstens weil für ihn die Lobhudelei unproduktiv ist, schließlich kann man ja währenddessen Menschen, die es „nicht so dicke haben“ (wie er zu sagen pflegt) nicht helfen, und zweitens: weil nicht selten der Laudator auch was vom Glanze des Gelobten erhaschen will.
Letzteres soll nicht Teil meiner Übung sein, doch zum ersteren behaupte ich kühn: Rupert Neudeck, der heute 70 Jahre alt/jung wird, gebührt Lob und Dank zugleich: Deutschland kann stolz sein, so einen wie Dich zu haben!
Es geht um keinen Geringeren als um einen nimmermüden Menschenfischer, einen radikalen Menschenrechtler, einen, dem es nie angst und bange ist, unbequeme Wahrheiten – freundlich, jedoch kompromisslos in seiner letzten Konsequenz – in die Welt hinaus zu rufen.
Doch es ist der Ruf des Helfers, des ehrlichen Maklers der „Armen und Habenichtse “, der ihm vorauseilt und dem er mit Tatendrang stets nachkommt.
Er gibt den Dingen ihren Namen, stets mit Menschlichkeit und Hingabe, sodass man ihm gerne zuhört, selbst wenn er über diktatorische Bösartigkeiten, über Vertreibung und über den Völkermord in Bosnien oder Ruanda, oder die drohende Hungerkatastrophe berichtet.
Mit Albert Camus unter dem Arm ergründet er als Journalist, als Philosoph, als Mensch im Glauben, die Werkzeuge, die Mittel und Wege, damit es Menschen wo auch immer auf der Welt einmal besser gehen kann.
Er kennt dabei kein Wegschauen und es widerstrebt ihm zutiefst, sich alleine mit Theoretikern zu umgeben. Dies war einer der Gründe, warum er die Grünhelme gründete. Er wollte den praktischen Dialog von Christen und Muslimen. Er sollte auf gleicher Augenhöhe bei der Arbeit in den Krisengebieten der Erde geführt werden. Das schweißt zusammen, dies ist mehr als ein Ersatz des interreligiösen Palavers, welches viel Papier aber zumeist nur wenig zu Stande bringt. Ja, mit den Sprücheklopfern kann er bisweilen unbarmherzig sein, mit den Notleidenden ist er dafür umso barmherziger.
Deswegen fühlen sich Muslime und Christen bei den Grünhelmen gut aufgehoben, aber auch Juden und Humanisten finden sich unter den Mitstreitern, dem Kuratorium und Vorstand wider. Alle Menschen „guten Willens“ halt, wie es in der Präambel heißt.
Mehrfach haben muslimische und christliche Entwicklungshelfer versucht, diese Idee zu kopieren jedoch mit mäßigem Erfolg. Warum? Weil eben Rupert Neudeck mit seinen Grünhelmen im eigentlichen Sinne keine religiöse Institution ist. Seine Mission ist die Menschenrettung im Namen der Menschlichkeit und aller Religionen, und so bekommt der interreligiöse Dialog eine so praktische und effektive Variante. In dieser Reihenfolge wird ein Schuh draus. Wer das kapiert, kann anheuern bei Rupert Neudeck.
Dabei muss derjenige wissen, dass die See rau ist und der Celebrity-Effekt sich bei dieser Veranstaltung in Grenzen hält.
Rupert Neudeck geißelt die Ungerechtigkeit mit seinem kindlichen Zorn, er quält uns gerade zu damit; uns, die wir so gerne in unserer Welt des DSDS, der „Sozialversicherungsnummer“ und der Abwrackprämie ertrinken lassen. Doch „qualvoll“ bewahrt er uns vor diesem Ertrinken. Detailgenau, menschlich und unnachgiebig erklärt er uns, wie wir uns als Menschen nicht vergessen sollten.
Ob es die Tragödie ist, die sich gegenwärtig zwischen Israel und Palästina abspielt, oder ob es die zum Heulen ungerechten Zustände auf dem schwarzen Kontinent, oder ob es Boatpeople im Pazifik waren, die zu retten der „Kapitän“ im Stande war – nein, weggucken gilt bei ihm nicht, am selben Tag wird gepackt, spätestens am nächsten Tag ist er bei den Menschen im Krisengebiet als Vorhut für ein neues Grünhelme-Projekt.
Unermüdlich strengt er sich bis zur körperlichen Erschöpfung an, zu appellieren an die in uns schlummernde Menschlichkeit, die bisweilen jedoch verschüttet ist. Das ist das, was ich bei Rupert Neudeck am meisten schätze, was ich bewundere, und von der ich stets profitiere, wenn ich mit ihm zusammen bin oder bei ihm und seiner Familie sein kann.
So kenne ich diesem Mann, dessen Frau Christel Neudeck nunmehr seit vielen Jahrzehnten seine Begleiterin und Unterstützerin ist. Wer dieses Paar einmal wirklich kennen gelernt hat, gesehen hat, wie sie sich fetzten, wenn es um den richtigen Weg der Hilfeleistung geht, der verliebt sich in sie und weiß, warum dieses Paar es selber bis heute ist.
Ich habe Rupert Neudeck einmal gefragt, ob er denn so gar keine Angst hat in Kriegsgebiete vorzudringen, in ein Erdbebengebiet oder in durch den Tsunami zerstörte Landshaften. Seine Antwort war ein fragender Blick, so, als würde er schon sprachlich mich nicht verstehen, was ich meine.
Höchstens hat er Furcht um die Helfer, die Frauen und Männer, vor Ort, die durch die Kriege oder Naturkatastrophen zerstörten Schulen, Krankenstationen und Häuser wieder aufbauen. Nein, Angst, dass ihm was zustößt hat er nie gehabt.
Statistisch gesehen, müsste man ihm jetzt widersprechen. Vielleicht einer der Gründe, warum er dieses Wort „Statistik“ so besonders hasst: Es ist bisweilen der Killer jeglicher guten Absicht eines jeden von uns, der bereit ist, für seine Ideale und das Gute zu kämpfen.
Möge Gott ihn weiter vor derlei statistischem Unheil schützen, denn von „Klosterbruder zu Klosterbruder“, wie er zu sagen pflegt: „Es gibt keine Zufälle im Leben!“. (AM)