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Dienstag, 08.07.2003

NRW: Migrationsausschuss im Landtag tagte: Muslime in der Arbeitswelt

ZMD:" Gegenüber dem Islam herrschen so viele Vorurteile, dass Muslime oft mit Vorbehalten ihrer Kollegen und Vorgesetzten zu kämpfen haben"

Religion und Arbeitswelt - zwei Bereiche, die in der Regel wenig voneinander beeinflusst werden. Doch gegenüber dem Islam herrschen so viele Vorurteile, dass Muslime oft mit Vorbehalten ihrer Kollegen und Vorgesetzten zu kämpfen haben. Diesen Problemen wollte der Migrationsausschuss (Vorsitzende Oda-Gerlind Gawlik, SPD) auf den Grund gehen und hatte unter der Überschrift "Benachteiligung von Menschen muslimischen Glaubens in der Arbeitswelt" Sachverständige geladen.

Muslime werden an ihrem Arbeitsplatz häufig benachteiligt und das nicht unbedingt so, dass es der Chef mitbekommt. Darin waren sich Irmgard Pinn und Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland und Nafiz Özbek,Mitglied des IG Metall-Vorstands, beim Sachverständigengespräch des Migrationsausschusses einig. Beide Organisationen forderten ein Antidiskriminierungsgesetz, um diesen Missstand von Seiten des Gesetzgebers her zu bessern. "Ohne politische Beteiligung wird sich nichts bessern", sagte Özbek. Pinn wies darauf hin, dass es keine gesicherten Daten über die Situation der Muslime in der Arbeitswelt gebe. Auch dieses Defizit müsse behoben werden. Sie wies darauf hin, dass es auch unter Muslimen Unterschiede gebe, wenn es um die Stärke ihres Glaubens gehe. Manche würden den Regeln des Islam streng folgen, andere wiederum seien lediglich in einem Kirchenregister eingetragen.

Die wenigen Forschungsbelege, die vorhanden seien, zeigten, dass Muslime eher eine "bejahende Einstellung" zu ihrer Religion hätten als Christen. Außerdem sei die "soziale Normierung" in islamischen Ländern größer als in überwiegend christlichen, das hieße, junge Menschen würden durch ihre Verwandten und Freunde eher dazu angeleitet, ihre Religion zu praktizieren. Sie sei aber der Überzeugung, dass Islam und westliche Industriegesellschaft zusammen wirken könnten. Probleme gebe es, je stärker Muslime ihre Gläubigkeit zur Schau stellten. Allerdings stelle sie fest, dass Muslime auch diskriminiert würden, wenn sie "sichtbar westlich" eingestellt seien, weil die Leute annähmen, dass sie religiös seien. Je höher die berufliche Position, die jemand anstrebe, desto größer seien auch die Barrieren, die es zu überwinden gelte. "Ab dem Niveau über der Putzfrau", so Pinn, sei zum Beispiel ein Kopftuch bei Frauen nicht gerne gesehen. Kopftuch

Auch der öffentliche Dienst habe zurzeit sehr wenige höhere Angestellte muslimischen Glaubens. "Ich kenne zum Beispiel keine Richterin mit Kopftuch", sagte Pinn. Sybille Haußmann (Grüne) meinte dazu, dass es in dieser Berufsgruppe eigentlich kein Hindernis geben sollte, weil ein Antrag vom Landtag verabschiedet wurde, entsprechende Einstellungen zu fördern. Eine generelle Benachteiligung von muslimischen Arbeitnehmern bestätigte Nafiz Özbek. Eine offizielle Diskriminierung gebe es in den Betrieben nicht. Geschäftsleiter hätten daher oft kein Wissen über Fälle von Benachteiligung. Fakt sei, dass jemand, der in den sechziger oder siebziger Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sei, beruflich nicht aufsteigen könne, weil er als Hilfskraft gebrandmarkt sei. Oft habe diese erste Generation von Arbeitern keine Motivation, sich jetzt noch durch Fortbildung zu integrieren und habe dadurch einen Nachteil. Die dritte Generation, die in Deutschland geboren sei, habe eine andere Einstellung und strebe nach höheren Zielen.

Jutta Appelt (CDU) fragte, ob Muslime seit den Anschlägen vom 11. September 2001 stärker benachteiligt würden. Mobbing hätte zwar danach zugenommen, so Özbek, allerdings habe es das schon vorher gegeben. Wie ein Antidiskriminierungsgesetz, das Pinn und Özbek empfahlen, aussehen sollte, wollte Britta Altenkamp (SPD) wissen. Aiman Mazyek antwortete, dass ein solches Gesetz die Religion in Zusammenhang mit der Lebensweise sehen sollte. "Das Kopftuch gehört oft dazu", betonte er. Daher solle man die Scheu zum Beispiel vor Erzieherinnen mit Kopftuch ablegen. Dr. Ute Dreckmann (FDP) fragte nach Schwierigkeiten, die zum Beispiel muslimische Bäckerlehrlinge hätten, die mit Alkohol in den Torten umgehen müssten. Da nicht per Gesetz vorgeschrieben sei, dass Auszubildende bestimmte Torten backen müssten, lasse sich da in der Regel eine Lösung finden, so Mazyek. Auch könne während der Arbeitszeit gebetet werden, die Arbeitnehmer müssten sich mit ihrem Chef lediglich einigen, ob das während einer "Zigarettenpause" gesche en solle oder ob sie sich extra Zeit nehmen könnten. Auch der Fastenmonat Ramadan habe im vergangenen Jahr nicht zu der üblichen hohen Zahl von Krankmeldungen geführt. Wie Arbeitnehmer anderen Glaubens auch, hätten sich Moslems weniger krankgemeldet. (aus LandtagIntern 07.03)