Artikel Dienstag, 04.09.2007 |  Drucken

Eine neue Welle der Kreativität - islam.de initiiert positive Bewegung unter Muslimen - Von Yasin Alder

(iz) Zur Abschlussgala und Preisverleihung des Kreativwettbewerbs „muslim made – Zeig’ mir den Propheten“ hatten sich am 2. September zahlreiche Muslime und auch Nichtmuslime in der "Central Station" in Darmstadt eingefunden. Bei dem Wettbewerb, veranstaltet von islam.de, gefördert durch Islamic Relief und unterstützt von der Islamischen Zeitung, ATC Travel und der Muslimischen Jugend in Deutschland, konnten die Einsender ihre Gedanken und Inspirationen über den Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, zum Ausdruck bringen. Viele vor allem junge Muslime taten dies auf unterschiedlichste Weise. Von Texten, Briefen und Gedichten über Musikstücke und gesprochene Texte, computergestützten Arbeiten wie Bildershows und Filmen bis hin zu Kalligrafien und Malerei kamen zahlreiche Einsendungen, von denen eine Auswahl auch in Darmstadt zu sehen war. Den zehn Bestplatzierten wurden bei der Gala ihre Preise verliehen.

„Keine einzige Einsendung entpuppte sich als Versuch den Propheten direkt abzubilden“, hob Aiman Mazyek, Chefredakteur von islam.de, in seiner Rede hervor. Der Wettbewerb war unter anderem auch als kreative Reaktion auf die Karikaturen-Debatte initiiert worden. „Ist die Strategie der Provokation einziges Stilmittel, wie wir uns zukünftig den kritischen Dialog mit den Muslimen vorstellen?“, sagte Mazyek mit Blick auf die Debatte. „Konstruktiv, selbstkritisch, proaktiv“ - so beschrieb der islam.de-Chef denn auch die Philosophie des Wettbewerbs. Mazyek äußerte sich auch eindeutig zur offenbar im Laufe des Wettbewerbs geäußerten innermuslimischen Kritik von den üblichen Kreisen und wies diese deutlich zurück. Der Wettbewerb habe nicht, wie einige „Miesepeter“ meinten, zu religiös zweifelhaftem verleitet, sondern die Tür geöffnet zur Liebe des Propheten. Die Muslime sollten sich nicht „in der Opferrolle gefallen, sondern Täter sein für Wohlfahrt und Frieden in unserem Land“, sagte Mazyek.

Der Jury des Wettbewerbs gehörten als Vorsitzender der Architekt und Künstler Ahmad Kreusch, die Musikerin und Buchautorin Hülya Kandemir, die Gruppe Outlandish, der Rap-Musiker Ammar114, Azhar Usman, Stand-up-Comedian aus den USA sowie Münib Engin Noyan, Theaterwissenschaftler und Autor, an. In seiner Eröffnungsrede zitierte der Schirmherr des Wettbewerbs, Dr. Murad Wilfried Hofmann, den prophetischen Ausspruch „Allah ist schön und liebt das Schöne“ und betonte, dass dieser Wettbewerb angesichts der gegenwärtigen Kritik am Islam und dem Karikaturenstreit „nicht reaktiv, sondern proaktiv“ sei. Zu den Beiträgen sagte Hofmann, er sei beeindruckt gewesen von der Beherrschung der deutschen Sprache bei fast allen Beiträgen und von der Intensität der in ihnen aufscheinenden Liebe zum Propheten. Mohamed Laabdallaoui erinnerte als Mitorganisator des Wettbewerbs noch einmal daran, dass „der Mensch ein Künstler“ sei und berichtete, dass es auch Einsendungen von Nichtmuslimen gegeben habe, die damit ihren Respekt vor dem Propheten bekundeten.

Anschließend hatte die Gewinnerin des vierten Platzes, Aysenur Helen Ramos, einen Auftritt mit ihrem Titel „The Light“ sowie einigen weiteren Songs, die in einem zumindest für den muslimischen Kontext ungewöhnlichen musikalischen Stil verfasst sind. Danach wurden die Preise für die Plätze 4 bis 10 im Schnelldurchlauf vergeben – hier wäre zumindest eine kurze Vorstellung der Preisträger und ihrer jeweiligen Beiträge zu Wünschen gewesen.

Der Juryvorsitzende Ahmed Kreusch, selbst Architekt und Künstler mit Theater-Erfahrung, bot in einer kurzen, aber sehr schönen Lesung Gedichte von Rilke und Goethe dar, wie „Mohammeds Berufung“, und erinnerte daran, dass Goethe sich ausdrücklich und in sehr scharfen Worten gegen die Verspottung des Propheten gewandt hatte. Im Duett mit Hülya Kandemir trug er Goethes „Mahomets Gesang“ vor. Und schon Matthias Claudius, so Kreusch, habe ohne es zu wissen schließlich ein Gedicht über den Propheten Muhammad geschrieben, nämlich das bekannte Lied „Der Mond ist aufgegangen“.

Der 3. Platz mit einer Istanbul-Reise als Gewinn ging an die Hamburgerin Yildiz Kaya, die in einem sichtlich bewegt vorgetragenen, sehr emotionalen Text über den Propheten „Wie kann ich dich lieben, wenn…“ innermuslimische Missstände offen ansprach und kritisierte, wie falsche Vorbilder oder mangelnde Kenntnisse über den Propheten und seine Eigenschaften. „Wir Muslime“, so die Preisträgerin, „haben leider mit dazu beigetragen, dass es ein so schlechtes Bild vom Islam gibt“. Muhammad sei nicht der Prophet der Araber, Türken oder Kurden, sondern eine Barmherzigkeit für alle Welten. Als Träger des 2. Preises trug Rida El Houssaini sein Lied „Dieser Prophet“ vor, das durch seine Emotionalität und die gesanglichen Fähigkeiten des Preisträgers, aber auch durch musikalische Ausgereiftheit und gute Produktion bestach. El Houssaini gewann eine Umra-Reise nach Mekka und Medina.

Der 1. Preis, eine Hadsch-Reise, ging an Abu Bakr Heyn aus Freiburg, der mit seinem ungewöhnlichen Lesestück „Mein Moment der Ewigkeit“ die Jury überzeugt hatte. „Das was mir und uns allen am eindrucksvollsten an der Geschichte war, ist dass er uns nur mit seinen Worten, seiner Stimme und einer ausgefeilten Bildersprache in die Nähe des Propheten bringt“, begründete der Juryvorsitzende Ahmed Kreusch die Entscheidung. Obwohl er kein Jurymitglied gewesen sei, so Murad Hofmann bei der Überreichung des 1. Preises, habe er sich nach dem Anhören des Beitrags von Abu Bakr Heyn sofort gedacht: „Wenn das nicht der erste Platz wird, dann liegt die Jury schief.“ Heyns Siegerstück, dass er unterbrochen von Tränen vortrug, ist eine beeindruckende, sprachgewaltige Schilderung einer Begegnung mit dem Propheten im Traum, die die lebendige Beziehung zum Propheten, die aus der Liebe zu ihm und dem befolgen seiner Botschaft erwächst, auf bewegende Weise veranschaulicht. Es kam während der Veranstaltung mehrfach vor, dass Auftretende ihren Vortrag stellenweise kurz unterbrechen mussten, weil sie von Tränen überwältigt wurden, aus Liebe zum Propheten, was sich auch unmittelbar auf das Publikum übertrug.

Zum Abschluss der Gala gab es noch etwas längere Konzertauftritte von Hülya Kandemir sowie Chaldun Schrade. Kandemir, die nach drei Jahren Pause erstmals wieder vor Publikum sang, kam mit berührenden, sehr intensiven Liedern, begleitet von ihrer Gitarre, die sie souverän beherrscht, und von Nejat Sansal aus München und dessen Tochter an Ney (Rohrflöte) und Tambourin sehr gut beim Publikum an. Hülya Kandemir versah ihre auf deutsch, türkisch und englisch gesungenen Lieder mit erläuternden Zwischenansagen, bei denen sie unter anderem auf die kontroverse Frage, ob Frauen im Islam vor gemischtem Publikum singen dürfen, da die Stimme der Frau als Aura betrachtet wird, einging, aber auch auf humorvolle Art klarstellte, dass sie nie „Rockstar“ gewesen sei, wie in einigen Medien behauptet. Chaldun sorgte mit einer Mischung aus Reggae und HipHop, originellen Texten einer sehr energetischen Performance für gute und positive Stimmung unter den Zuhörern.

Die Veranstaltung in Darmstadt zeigte, dass offenbar ein neues Klima unter jungen Muslimen entstanden ist, in dem eine erstaunliche und vielfältige Kreativität, die aus der Liebe zu Allah und Seinem Propheten erwächst, sich ihre Bahn bricht, nachdem sie jahrelang durch engstirnige und puritanische Interpretationen bestimmter muslimischer Strömungen, die zeitweise tonangebend waren, unterdrückt worden war. Das künstlerische Niveau ist dabei beachtlich, wie man beispielsweise an dem mittlerweile bemerkenswert hohen Niveau muslimischer Musiker erkennen kann. „Es gibt hier eine wirkliche Kreativität von unten“, sagt dazu Ahmed Kreusch, „die nicht gesteuert wird durch Kunstmärkte, Charts oder dergleichen. Diese Kunst kommt von Leuten, die durchaus professionell arbeiten, aber die wirklich anfangen, ihre Fähigkeiten in den Dienst einer Botschaft zu stellen, oder vielleicht auch nur einer Sehnsucht.“

Man habe zum Beispiel viele Beiträge von türkischen Frauen erhalten, die man als regelrechte Liebesbriefe an den Propheten bezeichnen könne, die aber teils zu persönlich und zu privat gewesen seien, um sie öffentlich zu machen. Es gab auch Zusammenarbeiten von Muslimen und Nichtmuslimen, wie bei einem Videobeitrag. Auch gerade in der Arbeit mit neuen Medien und modernen Musikstilen zeige sich, dass es hier etwas Neues gebe, das nicht mehr der traditionellen islamischen Kunst verhaftet sei. Dies entspreche der historischen Erfahrung, dass der Islam in jedem Land, in das er kommt, kulturell neue Formen hervorbringe. Eine solche Kunst, die aus einem authentischen, ehrlichen Gefühl entstehe, sei heute nur noch selten zu finden. Sein Beitrag sei in kürzester Zeit entstanden, so Hauptgewinner Abu Bakr Heyn gegenüber der IZ, nachdem die ursprüngliche Idee, einen HipHop-Song zu machen, von ihm wieder verworfen worden war. Durch seine Beschäftigung mit einer Übersetzung des Dala’il Al-Khairat, einer klassischen Zusammenstellung von Segenswünschen auf den Propheten zur Rezitation, habe er viel Inspiration dafür erhalten. „Es ist mir zugeflogen; auch wenn ich es selber höre oder er vortrage, habe ich nicht das Gefühl, dass es von mir ist. Ich stand gerade bei der Arbeit, und plötzlich kam die Inspiration und ich habe den Text ins Notizbuch geschrieben“, berichtet der Gewinner. Nachzuhören ist der Beitrag übrigens unter www.myspace.com/papaabubakr. Auch der Zweitplazierte Rida El Houssaini, der aus der HipHop-Szene kommt, hatte, als er begann, den Islam bewusster zu praktizieren, wie Hülya Kandemir zunächst ganz mit dem Musikmachen aufgehört. Er habe sich intensiv mit islamischen Gelehrten über das Thema Musik im Islam unterhalten und nachgeforscht und sich schließlich entschieden, sich mit seinem Lied am Wettbewerb zu beteiligen. Nun hat er bereits drei weitere Stücke aufgenommen und möchte weiterhin Musik machen.

„Ich habe ein unglaublich positives und sehr hoffnungsvolles Gefühl aus diesem Wettbewerb gewonnen. Ich glaube, das ist wirklich der richtige Weg und die richtige Richtung. Ich denke, dass wir damit noch viel mehr Menschen erreichen müssen, denn die Kunst im Islam darf nicht verloren gehen. Sie war so viele Jahrhunderte lang da. Es ist auch die Seele der Muslime, die sie versuchen, auszudrücken. Über die Kunst kann man wiederum alle anderen, auch Nichtmuslime, erreichen. Sie ist ein freundlicher, offener Weg, Menschen aus allen Kulturen und Religionen am einfachsten zu erreichen“, so Hülya Kandemir im Gespräch mit der IZ.
(Mit freundlicher Genehmigung des Autors; Erstveröffentlichung in der IZ am 04.09.07)



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