Newsnational Mittwoch, 06.01.2016 |  Drucken

Nach den Schandtaten am Kölner Hauptbahnhof: Todsünde im Islam

"Für nicht wenige in unserem Land, und das müssen wir ebenso nüchtern feststellen, ist und bleibt der Muslim dennoch auch ein verkappter Sexist"

Ich bin ganz dafür, dass wir eine Debatte über Personen und Gruppen führen, welche wie ein Rudel – meist alkoholisiert - Frauen anmachen, sexuell belästigen und sie gar als Freiwild betrachten. Dass hier die volle Härte des Gesetzes zum Einsatz kommen muss, und dass dieses widerwärtige und verachtenswerte Verbrechen auch gesellschaftlich noch viel mehr geächtet werden muss, steht außer Frage.

Z.B. indem wir auch von den Belästigungen ähnlicher Art am Oktoberfest oder Karneval berichten oder über die Übergriffe, die Frauen in Ehen oder Beziehungen tagtäglich erleben, oder indem wir einmal den Blick auf die Opfer werfen, die in tausenden Frauenhäusern tagtäglich in Deutschand Zuflucht finden.

Dass im Kölner Hbf etwas Schlimmes passiert ist und auch aufgedeckt werden muss, steht ebenso außer Frage. Doch die Diskussion kann entgleiten, wenn man sich nicht an die Fakten hält. Vom Kölner Fall ist Folgendes bekannt (Stand 06.01.2015): Rund 90 Anzeigen sind inzwischen bei der Polizei eingegangen, die meisten wegen Taschendiebstahls. Etwa 15 Frauen wurden sexuell belästigt. Auch eine Zivilbeamtin ist unter den Opfern. Und nein, es waren nicht alle Männer an allen Straftaten beteiligt, wie manche Nachricht suggerierte (1.000 Männer haben Frauen belästigt). Es sind diese Falschmeldungen, die sich ins öffentliche Gedächtnis einnisten und die am Ende auch rechtsextremistischen Demagogen weiteren Auftrieb geben.

Teile der Politik scheinen hilflos zu sein und durch ihre schnellen Wortmeldungen skandalisieren sie nur, statt aufzuklären, emotionalisieren und hysterisieren sie, statt die Härte des Gesetzes wirken zu lassen. Politik getrieben von den Medien und diese wiederum von den sogenannten sozialen Medien, wo vielerorts die anonymen Hetzer sitzen. Einige wollen auch nur Pegida und Co zuvorzukommen.

Da fällt eine angetrunkene Horde von Männern, offenbar mit Migrationshintergrund, über Frauen her, berauben sie und tun Schändliches, und die Frage steht im Raum, ob das was mit dem muslimischen Frauenbild zu tun hat. Ich frage mich: Geht’s noch?

Fast jeden Tag überfallen, greifen sogenannte Verteidiger des christlichen Abendlandes mit Brandbomben und sonstigen Geschossen Asylheime oder auch Moscheen in Deutschland an, vergreifen sich an Flüchtlingen und begehen so Totschlagversuche und somit schwere Straftaten. Keiner würde auf die Idee kommen - als Erklärungsversuch gewissermaßen - das christliche Weltbild zu bemühen. Zurecht. Denn alles andere wäre Zynismus, perfide und ein Schlag ins Gesicht auch gegen die Opfer.

Wie weit die Diskussion z.T. in die falsche Richtung verläuft, zeigt, dass die Forderung nach mehr Sachlichkeit und Faktenklarheit schon von vorne herein  von einigen als Beschwichtigung abgetan wird. Für nicht wenige in unserem Land, und das müssen wir ebenso nüchtern feststellen, ist und bleibt der Muslim auch ein verkappter Sexist. Auch wenn die Täter mit dem Islam nichts gemein haben und sogar in diesem Sinne eine Todsünde begangen haben, wenn sie denn gläubig gewesen sind, das Vorurteil ist nicht aus der Welt zu bekommen.

Ich frage nach diesen Ereignissen, insbesondere denjenigen Teil der Medien und Politik, die bisher mit Skandalisierung und entsprechender Rhetorik eintimmen: "dass auch gar nichts bitte unter dem Tisch gekehrt werden darf", obwohl die Nation seit Tagen über fast nichts anders mehr berichtet als den Fall am Kölner Hauptbahnhof: Was wollen wir eigentlich damit bezwecken? Etwa den Beweis antreten, dass wir unser Grundgesetz nicht verstanden haben?
Unser Strafgesetz fragt nicht nach Herkunft und Religion bei einer Straftat, sondern nach dem Grad der Straftat, die am Ende vor einem ordentlichen Gericht beweiskräftig steht. Jeder andere Weg endet in Selbstjustiz nach Wildwest-Manier. Und das sind nicht die Werte, nach denen ich leben will. (Aiman Mazyek)



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