Newsnational Montag, 12.10.2015 |  Drucken


Größtes Islamisches Land auf der Buchmesse

Indonesien ist Ehrengast auf der weltgrössten Buchmesse in Frankfurt

Schriftsteller aus Indonesien: Das klingt nach Exotik. Bücher aus dem
viertgrößten Land der Welt sind hierzulande eher Mangelware. Nach der
Frankfurter Buchmesse könnte sich das ändern - ein bisschen
zumindest.

Frankfurt (KNA) 70 von rund 250 Millionen: Die 70 Autoren, die zur
Frankfurter Buchmesse von Indonesien aus an den Main reisen,
repräsentieren die nach Einwohnern viertgrößte Nation der Erde. Eine
echte Macht also. Gemessen am Bekanntheitsgrad der literarischen
Produktion in Europa ist Indonesien, diesmal Ehrengast der Buchmesse,
aber vor allem eines: eine große Unbekannte.

Wer weiß schon etwas über Dorothea Rosa Herliany, die in ihren
Gedichten immer wieder die soziale Ungleichheit anprangert? Oder die
30-jährige Okky Madasari, die vor zwei Jahren - als bislang jüngste
Vertreterin ihrer Zunft - den «Khatulistiwa Literary Award» erhielt,
die renommierteste Literaturauszeichnung ihres Landes?

Von einem «blinden Fleck in unserer westlich geprägten Wahrnehmung»
spricht der Berliner Publizist Martin Jankowski in seiner Einführung
«Indonesien lesen». Doch nicht nur europäische Ignoranz ist, so meint
Jankowski, Schuld an der bislang geringen Präsenz indonesischer
Literatur in den heimischen Regalen. Auch in Indonesien selbst fehle
es noch an Bewusstsein für das Buch als Kulturfaktor.

Doch das scheint sich zu ändern. Seit Ende des über 30 Jahre
währenden Regimes von Haji Mohamed Suharto (1967-1998) kommen die
Dinge in Bewegung. Die Zahl der Verlagshäuser ist stetig gewachsen
und hat längst die 1.000er-Marke geknackt. In den aufstrebenden
Kreisen der aufstrebenden Mittelschicht gehört die gepflegte Lektüre
inzwischen zum guten Ton.

Für Branchenkenner ist der südostasiatische Inselstaat mit seinen
«17.000 Inseln der Imagination», so das Motto des Gastauftritts in
Frankfurt, daher ein wichtiger Wachstumsmarkt. Der Direktor der
Frankfurter Buchmesse, Jürgen Boos, drückt das so aus: «Wir sehen
Indonesien als einen wichtigen neuen Mitstreiter im internationalen
Publishing-Netzwerk und werden dieses Jahr erleben, wie eine junge
Demokratie einen eigenen, innovativen Weg auf den Feldern Bildung,
Lesen und Geschichtenerzählen beschreitet.»

Rund 88 Prozent der Indonesier bekennen sich zum Islam. Da nimmt es
kaum Wunder, dass die religiöse Literatur zu den drei wichtigsten
Genres zählt. In diesem Segment führend ist der 1983 gegründete Mizan
Verlag, der rund 600 Bücher im Jahr herausbringt.

Der Fokus liegt auf der Verbreitung islamischen Denkens «auf eine
freundliche und offene Weise», wie es heißt. Dazu dient unter anderem
ein Kinderbuchprogramm, das Mizan seit 1992 kontinuierlich ausbaut.
Die Bücher der Reihe «Character building for kids» («Charakterschule
für Kinder») tragen Titel wie «Mama helfen», «Bescheiden sein» oder
«Versprechen einhalten».

Bei Debatten über die politische Rolle des Islam hält man sich
dagegen zurück. Das verkaufe sich eher schlecht. Besser laufen den
Angaben zufolge Ratgeber, die beispielsweise muslimischen Frauen
erklären, wie man den traditionellen Gesichtsschleier, den Hijab,
trägt. Daneben führt der Verlag aber auch Comics im Manga-Stil oder
Übersetzungen der renommierten britischen Religionswissenschaftlerin
Karen Armstrong im Programm.

Das deutsche Publikum darf sich in diesem Jahr auf eine Reihe von
Neuerscheinungen freuen. In der von der Buchmesse zusammengestellten
Übersicht finden sich auch die wenigen bislang bekannten Namen wie
der von Andrea Hirata. Sein Roman «Der Träumer» erzählt die
Geschichte von Ikal, der seine Familie auf der Insel Belitung
verlässt, um in der französischen Hauptstadt Paris sein Glück zu
machen. So, wie der um 1975 geborene Autor selbst, dessen ebenfalls
autobiografisch gefärbter Erstling «Die Regenbogentruppe» bereits
Beachtung in Europa fand.

Die Generation der 30- bis 40-jährigen um Hirata und Okky Madasari
könnte einst in die Fußstapfen von Pramoedya Ananta Toer (1925-2006)
treten. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte Toer gegen die japanischen
Besatzer, verbrachte später unter den niederländischen Kolonialherren
und dann unter Suharto Jahre im Gefängnis. Ein Leben wie ein Roman,
das er unter anderem in seiner «Buru»-Tetralogie, benannt nach einer
Gefängnis-Insel, verarbeitete. Mehrfach galt «Pram», wie sie ihn in
seiner Heimat riefen, als heißer Anwärter auf den
Literatur-Nobelpreis.



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