Newsnational Samstag, 09.07.2011 |  Drucken

Neu-Staat: Süd-Sudan - Von Rupert Neudeck

Die westliche Welt feiert den neuen Staat - Aber was steckt dahinter und wie wird den konfessionellen mordenden Bewegungen Einhalt geboten?

Der Süd-Sudan wäre nicht unabhängig geworden, wenn Dr. John Garang überlebt hätte. Er war gerade mal fünf Monate Ministerpräsident in Juba und Erster Vizepräsident in Khartum, als er am 30. Juli 2005 bei einem Helikopterflug in der Nähe der Ugandischen Grenze abstürzte und tot war. Der seit 1983 kämpfende Führer der Sudanesischen Befreiungsfront, war gleichsam der Abraham Lincoln des neuen Staates. Er wusste, was er wollte: Den neuen säkularen Staat Sudan, der nicht in die Versuchung gerät, in vier oder fünf Teile zu zerfallen. Erhatte es sich nicht leicht gemacht, wir trafen ihn immer wieder im Feld.
Er war überzeugt, Probleme lösen sich nicht, wenn man nur einfach weggeht von dem Hauptgebiet. Er sah damals den Sudan als eine Brücke, die man der Welt vorzeigen wollte: In diesem Afrika ist es möglich, mit Arabern und Schwarzafrikanern, mit Animisten, Muslimen und Christen gleichermaßen zusammen zu leben und den großen Reichtum des Landes auszubeuten. Der Reichtum ist einmal etwas, was für die Zukunft der 7-9 Milliarden Menschheit immer wichtiger wird: Gute Böden und eine produktive Landwirtschaft. Sowie das schnelle Geld, das die Ölquellen im Lande bieten.

Der Friedensprozess für den neuen Staat Süd-Sudan war zunächst mal kaputt bombardiert. Der Präsident des Sudan hat am 14. Juni seine Luftwaffe angehalten, zwei Orte im südlichen Kordofan zu bombardieren. Kauda, die kleine Flugpiste innerhalb der Nuba Berge sowie Kadugli, die nächst größere Stadt im Süd-Kordofan. Beide Orte wurden von mehreren Mig-Flugzeugen der sudanesischen Luftwaffe bombardiert. Der Sprecher der UN Mission im Sudan (UNMIS) Kouider Zerrouk bestätigte, dass am 14. Juni 11 Bomben auf die Landebahnen des Flugfelds der Nuba Berge, Kauda, abgeworfen wurden und das Flugfeld total zerstört haben. Der Kommandeur der Süd-Sudanesischen Befreiungsfront in Kauda, Abeldaziz Hillu, soll untergetaucht sein.

Vorher schon am 23. Mai hatte Präsident Omar el Bachir seine Armee angewiesen, in dem westlich gelegenen Distrikt Abiey einen Angriff auszuführen. Das geschah mit mehreren Toten und Plünderungsorgien der Sudanesischen Armee in Abiey. Die Bevölkerung und Teile der SPLA, die sich in der Stadt aufhielten, ergriffen die Flucht nach Süden.
In Abiey sollte eine zusätzliche Abstimmung über die Grenzziehung zwischen dem Nord-Sudan und dem Süd-Sudan stattfinden. Nun hörte bei Abiey für den Sudan-Staatschef die Gemütlichkeit auf, denn der Distrikt Abiey verfügt über gutes Weideland und ein Ölfeld genannt Difra. Nach dem 11. Januar 2011 (90 Prozent der Bevölkerung im Süd-Sudan hatten sich für die Unabhängigkeit ausgesprochen) sollten die Menschen in Abiey über ihre Zugehörigkeit eigens entscheiden. Die Abstimmung fand nicht statt, Khartum wollte das ölreiche Abiey nicht im Süd-Sudan verschwinden lassen

Mordenden Bewegungen „Lord Resistance Army“ muß Einhalt geboten werden

Der neue Staat soll heute in der Hauptstadt JUBA ausgerufen werden. Der designierte Staatschef Salva KIIR benimmt sich vernünftig. Er würde, so erklärte er in der Hauptstadt, nicht zu den Waffen greifen gegen die übergriffige Armee aus dem Norden. Das war eine Absicht von Omar el Bachir: Wenn es Krieg gegeben hätte, wäre der Moment der feierlichen Ausrufung des Staates Süd-Sudan verschenkt.
Besonders heftig hat das afrikanische Nachbarland Uganda reagiert. Ugandas Präsident Yoweri Museveni verbindet mit guten Beziehungen zum neuen Süd-Sudan auch die Erwartung, dass der mordenden Bewegung „Lord Resistance Army“ unter der Führung von Joseph Kony der Hahn abgedreht wird. Diese Bewegung hatte unter der legendären Priesterin Alice Lakwena einst (in den 90er Jahren) den Norden von Uganda unsicher gemacht. Dann aber wurde sie in den Sudan vertrieben. Aus dem Süd-Sudan hat die Bewegung weiter ihr Unwesen treiben können.

Die Ölreserven in Abiey sollen aber in 10 bis 15 Jahren versiegt sein. Diese Reserven würden nur ein Prozent des Sudan-Exportes von 6,8 Milliarden Barrels per Jahr ausmachen. Dafür aber seien die Weideplätze für die arabischen Missiriya Nomaden sehr wertvoll.

Der Süd-Sudan wird das 54. Land der Afrikanischen Union und als solches auch in die UN-Vollversammlung aufgenommen. Sein Präsident Salva Kiir wird in New York eine Rede halten und man kann gespannt sein, ob er seinen großen Hut aufbehält, den er sonst Tag und Nacht trägt aufbehält? Salva Kiir ist nicht die große Persönlichkeit, die John Garang war. Garang wusste um die tribalen Tendenzen in seinem Süd-Sudan. Die Dinka wurden beneidet von den Nuer und den Schilluk. Riek Machar, ein Chef der Nuer, wurde von Khartoum mit viel Geld weggelobt nach Norden in ein Amt der Regierung von Omar al Bachir.

Dem neuen Staat muss geholfen werden. Wenn die deutsche Regierung einen gewaltsamen Entschluss fassen würde, könnte sie dem Süd-Sudan helfen. Sie müsste die Hälfte oder mindestens ein Drittel der Entwicklungshilfe-Gelder auf Investitionen im Lande konzentrieren. Statt mit der Gießkanne das deutsche BMZ-Geld auf 20- bis 30 Länder auszugießen, würde das bedeuten: dem Süd-Sudan einen kraftvollen Anschub geben. Es braucht zweierlei. Es braucht Straßen, es braucht eine Eisenbahn, es braucht auch Solarkraftwerke möglichst an drei Ellipsenpunkten des Landes: Juba, Torit, Bar el Gazal. Ein Unternehmer aus Schleswig hatte schon die Idee einer Eisenbahntrasse, die dann an die Uganda- und Kenya-Eisenbahn angeschlossen würde, mit der man tausende junger Leute nach chinesischer Methode zum Bau dieses wichtigsten Vehikels für den eigenen Staat einsetzen könnte.

Noch immer kann Omar al Bachir in Khartum dem neuen Staat das Wasser abgraben, genauer gesagt das Öl. Er hat im Norden allein diese Pipeline, mit der das Öl zum Hafen Port Sudan gepumpt wird. Bachir spielt mit dem Feuer. Wenn er den Süd-Sudan nicht in Frieden gehen lässt, kann der Sudan auseinanderfliegen. Es gibt vier Regionen, die alle unabhängig werden wollen. Das ist im Westen die Provinz Darfur (so groß wie Frankreich), das südliche Kordofan (mit Einschluß der Nuba Berge), das Gebiet Blauer Nil und der Nord-Sudan. Für die Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen in Darfur wurde der Sudan Staatschef schon zum gesuchten Kriegsverbrecher für das Internationale Tribunal in den Haag.



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