Artikel Samstag, 18.12.2010 |  Drucken

Filmbesprechung: „Hipp Hopp und Kalaschnikoff“ - Von Rupert Neudeck

Für die, die die etwas für den Nahost-Frieden tun und die dabei auch Hoffnung, Mut, Chuzpe und Zuversicht tanken wollen

Von Büchern sagten die alten Römer: „Habent sua Fata Libelli“-zu deutsch: Bücher haben so ihr Schicksal. Von manchen Filmen zu den Themen Israel-Palästina kann man Ähnliches sagen“.Dieser Film „HIPP HOPP und Kalaschnikoff“ hat zwei Vorgänger.1982 haben Stefanie Landgraf und Johannes Gulde von der privaten „Medienwerkstatt München“ eine Dokumentation über die Palästinenser Flüchtlinge im Libanon unter dem Titel „Eines Tages werden wir zurückkehren…“ gefilmt und produziert.Man bot den Film für nur 30.000 DM den Sendern an. Und musste hören: „Darf ich Ihnen mitteilen, dass wir einen Film über ein verwandtes Thema schon am Gründonnerstag 1979 ausgestrahlt haben“.

In der ARD lief am 26. Juni 1983 von 22.05 bis 0.15 eine Dokumentation. Es war die Dokumentation von einem besessenen Schweizer Filmemacher: Michael Mrakitsch. Der Film hieß: „Schalom oder: Wir haben nichts zu verlieren“. Michael Mrakitsch hatte fünf Wochen in dem Palästinenserlager Borj Chemali bei Tyros und das andere Mal in der Wehrsiedlung Carmel im Hebrongebirge gedreht. Der Film schilderte mit einer zum Zerbersten eindrucksvollen Sensibilität einen Unrechtszustand und kam ohne Kommentar aus.

Ich hatte damals ein Fernsehkritik geschrieben unter dem überwältigenden Eindruck dieses Filmes.
Kurz nach meiner Kritik rief die Israelische Botschaft an. Ein Botschaftsrat sagte mir ziemlich wütend: “Sie haben dieses üble Machwerk, diesen Film eines gewissen Herrn Mrakitsch besprochen und gut gefunden. Sie schreiben, dass dieser Film eine Tür zu einer neuen Diskussion öffnet und ein Tabu bricht“. Das sei schon Antisemitismus.

Der neue Film von Stefanie Landgraf und Johannes Gulde hat seinen besonderen Informationswert für Jugendliche, Schülerinnen und Schüler, Lehrlinge, Studenten. Denn er zeigt die Reise von Yasmin und Enz, die beiden eigentlich nicht viel von dem Konflikt wissen, sondern eine Reise über Beirut in die Westbank machen. Yasmin ist die Tochter des Filmautoren Gulde, Enz ist ein Hipp Hopp Künstler. Sie haben auf ihrem Laptop mitgebracht den Film, der vor dreißig Jahren gedreht wurde und führen den Film auf ihrem Laptop immer wieder denen vor, denen man die dreißig vergangenen Lebensjahre im Gesicht ansehen kann.
Das Schöne: Die Menschen wirken trotz der dreißig Jahre Entbehrungen, Verfolgungen und Exils nicht pessimistisch. Aber sehr viel realistischer. Die Jungen Leute, die Yasmin und Eki treffen, Rapper zumal, oder Theatermacher, sind realistischer geworden. Statt der Kalaschnikoff das Mikrophon. Mit Kunst und Musik, Tanz und Unterricht wollen sie die Besatzung des Staates und der Armee Israel überwinden.

Das ist das Überraschende bei diesem Film, der noch mit den Bildern von militärischer Ausbildung von jungen palästinensischen Mädchen und Jungen vor 30 Jahren beginnt. Die Jungen, die jetzt in Beirut/Libanon, in den Lagern, in Ramallah leben, haben damit nichts mehr am Hut. Sie wollen ihr Leben machen, auch in der eingeschränkten Haltung und Zone, die ihnen dafür frei und offengehalten wird.
Der Film zeigt gebieterisch, dass wir das eine Volk sehen und weiter seine Existenz auch als Staat unterstützen werden und wollen (Israel). Dass wir aber einen enormen Nachholbedarf haben als Deutsche, uns jetzt auch dem Los der Palästinenser zuzuwenden, die ja in einer großen Zahl (über 700.000) aus ihrem Heimatland vertrieben wurden. Diese Palästinenser leben jetzt schon über 60 Jahre in Lagern und über 40 Jahre unter militärpolitischer Besatzung. Diese Menschen bedürfen ebenfalls und als Menschen gleichermaßen unseres Eifers der humanitären und der politischen Unterstützung.

Der Film hat es nicht auf die Rampe des Fernsehens geschafft. Das wird bei der Überlänge von 100 Minuten auch schwierig werden. Aber die Autoren können gewiss einige Längen und retardierende Momente aus diesem Film herausschneiden oder auch zwei Teile daraus machen, so dass wir dann zwei 45 Minuten oder zwei 30 Minuten Filme haben.
An dem Tag, da der Film im Kölner Filmforum (11.12.10) gezeigt wurde, kam die Website der Grünhelme heraus, die unter dem Titel: www.getthewall.com
und jetzt für alle erreichbar ist, die etwas für Palästinenser tun wollen und die dabei auch Hoffnung, Mut, Chuzpe und Zuversicht tanken wollen. (Rupert Neudeck)




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