Newsnational Mittwoch, 19.08.2009 |  Drucken

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„Schließt Gott eine Tür zu, macht er zehn gleich wieder auf!“ – Interview mit Nadir Moubarrid

Der beliebte und erste Sprecher von SOGESEHEN.TV im islam.de-Gespräch - Wie die Hadj sein Leben prägt, seine Großmutter zu seinem größten Vorbild wurde und warum der Satz stimmt: „Den Islam praktizieren und sich deutsch fühlen und deutsch handeln ist kein Widerspruch“

Er ist Deutscher und kommt aus einer marokkanischen Familie, hat in einer binationalen (ägyptisch-deutschen) Familie eingeheiratet – also ein geübter Wanderer zwischen den Kulturen: Nadir Moubarrid ist erster Sprecher und jetzt seit genau einem Jahr bei SOGESEHEN.TV dabei. Es wird Zeit den vierfachen Familienvater unseren Lesern vorzustellen. Diese Woche dreht er seinen letzten Teil der Reihe "Liebe zu…" und er wird auch in einer Wiederholung der letzten Ramadanreihe zu sehen sein (siehe unterer Link)

Der heute 31-jährige Nadir, der seine beiden Großmütter zu seinen größten Vorbildern zählt, hat das Licht der Welt in der Stadt der Brüder Grimm erblickt. Nach fünf Jahren Hanauer Luft entschieden sich seine Eltern ihn nach Marokko zu schicken. Dort ist er zur Schule gegangen und hat vor allem Kultur und Sprache des Landes erfahren können. Nach seiner Rückkehr 1988 hat er in Bonn das Studium der arabischen und chinesischen Sprache aufgenommen. Dort lebt er heute als Softwareentwickler mit seinen Kindern und seiner Frau, die als Kinderkrankenschwester arbeitet. In seiner Freizeit leistet er seit Jahren als Jugendgruppenleiter wertvolle Dienste, u.a. für die Organsiationen "Muslimische Jugend in Deutschland" und "Haus des Islam".

islam.de: Du bist der erste Sprecher von SOGESEHEN.TV. Was hat Dich angespornt mitzumachen?

Nadir Moubarrid: Man hat mir das Projekt vorgestellt und mich gefragt, ob ich Interesse hätte mitzumachen. Es klang spannend und so habe ich zugesagt.

islam.de: Deine praktischen islamischen Kenntnisse haben sich spätestens bis dahin herumgesprochen. Wie hast Du Dir das erarbeitet?

Nadir Moubarrid: Mich haben in meinem Leben verschiedene Menschen ausbildend geprägt. Zu allererst wären da meine Urgroßmutter und meine beiden Großmütter. Sie waren einfache Menschen, hatten jedoch einen hervorragenden Charakter und einen starken Glauben. Meine Urgroßmutter pflegte mir zum Beispiel immer zu sagen: „Sohn! Tue Gutes, dann findest du auch Gutes!“ oder „Schließt Gott eine Tür zu, macht er zehn gleich wieder auf!“ Es sind diese simplen und zugleich bemerkenswerten Lebensformeln, die ihren Glauben ausmachten. Darüber hinaus, habe ich die Schule in Marokko besucht. Als ich nach Deutschland zurückkam, nahm mich mein Vater stets mit in die Moschee. Wir hatten dort eine ziemlich aktive Gemeinde, die sich jeden Sonntag zu einem Lernkreis traf. Ich lernte die Regeln der Koranrezitation, Koranexegese, die Lebensgeschichte des Propheten (Sira), islamische Rechtslehre (Fiqh), Glaubenslehre (Aqida). Auch meine erworbenen Arabischkenntnisse konnte ich dort frisch halten.

islam.de: Du bist auch Gruppenleiter der Hadj-Reisen vom Haus des Islam (HDI) und machst das jedes Jahr mashaallah. Eine große Herausforderung, salopp gefragt: Wird es Dir da nie langweilig?

Nadir Moubarrid: Nein, langweilig kann es nicht werden. Es ist immer was los. Für mich ist diese Gelegenheit auch gleichzeitig eine intensive Entwicklungsphase, in der ich von denen, die einen guten Charakter haben, lerne wie man sich besser verhalten kann und wie man in schwierigen Situationen geduldig bleiben kann. Von denjenigen wiederum, die ein schlechtes Benehmen haben, lerne ich wie man sich nicht benehmen sollte. Doch am meisten freue ich mich auf die vielen Bittgebete, die man als Dank von den Hadschis erhält. Wenn man z.B. jemandem geholfen hat, dann heißt es nicht nur „Danke“, sondern auch gleich „Möge Allah Dir Gutes zukommen lassen“ oder ähnliche Bittgebete.

islam.de: Wahrscheinlich haben die Muslime hierzulande viele Bittgebete nötig. Das Zusammenleben läuft nicht rund...

Nadir Moubarrid (lacht gelassen)...wir sind doch erst am Anfang eines langen Prozesses und Prozesse bedürfen Zeit, manchmal viel Zeit, um zu funktionieren. Diese Zeit muss man sich nehmen, damit wir ein gesundes Ergebnis erhalten...

islam.de:... aber wir werden immer noch nicht selbstverständlich als Teil Deutschlands begriffen, woran liegt das?

Nadir Moubarrid: Ich denke es liegt an der Grundeinstellungsproblem. Es ist hilfreich, wenn Muslime der zweiten und dritten Generation begreifen würden, dass man nicht immer fordern kann, sondern auch etwas leisten muss, um zu einem Teil der Gesellschaft zu werden. Kurz: Wir müssen uns für die Belange unsrer Gesellschaft engagieren. Genauso hilfreich ist es, wenn diejenigen, die bereit sind ihren Beitrag zum Wohl der Gesellschaften zu leisten, auch als solche anerkannt und nicht als Sicherheitsrisiko definiert werden. Es muss endlich in den Köpfen der Menschen rein: Den Islam praktizieren und sich deutsch fühlen und deutsch handeln ist kein Widerspruch.

"Muslime nicht immer als Sicherheitsrisiko definieren"

islam.de: Es gibt viele Angeboten im Netz, wo viel Gutes stattfindet, aber auch Halbgelehrte und bisweilen Scharlatane unterwegs sind und statt die islamische Lehre oft auch Hass und Wut predigen. Wie siehst Du diese Entwicklung?

Nadir Moubarrid: Gelehrte, sind willkommen zu heißen und in ihre Arbeit zu unterstützen. Denn wer gelehrt ist, hat sich auch das nötige Wissen angeeignet, um „islamisch zu unterweisen“, und gehört zum Fachpublikum, das zum Thema Islam befragt werden kann. Halbgelehrte oder sogenannte Pseudogelehrte sind gefährlich, denn mit Halbwissen so tun als sei man gelehrt sei richtet Unheil an. Beispiele aus der Geschichte sollten uns stets eine Lehre sein. Ein Scharlatan bleibt ein Scharlatan und kann die Menschen nur für eine gewisse Zeit blenden, doch er wird dann als das entlarvt was er ist. Die letzten beiden Kategorien können wir Muslime gar nicht brauchen, haben aber viele von ihnen. Hoffe, dass die Anzahl an Gelehrte zunimmt, um dem Problem stark zu begegnen.

islam.de: Lieber Nadir Moubarrid, danke für das Gespräch und gesegneten Ramadan.

(Das Interview führte Hany Jung)


Lesen Sie dazu auch:
Ich freue mich auf Ramadan - mit Nadir Moubarrid - SOGESEHEN.TV Ramadan-Reihe

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