Artikel Sonntag, 17.05.2009 |  Drucken

Jörn Wunderlich- DIE LINKE: Kopftuchfrau als Beamtin ist möglich – Fortsetzung unserer Reihe Superwahljahr

Wir setzen unsere Serie mit den Parteienvertretern fort.
Heute nimmt die Partei DIE LINKE Stellung. Im Deutschen Bundestag sprachen wir mit Jörn Wunderlich.

Zur Person:
Der 1960 in Gladbeck geborene Bundestagsabgeordnete Jörn Wunderlich (DIE LINKE) ist seit 2005 im Parlament. Der Politiker ist verheiratet und Vater von 2 Kindern. Jörn Wunderlich ist von Beruf Richter am Amtsgericht im Freistaat Sachsen. In seiner Fraktion ist er der familien- und seniorenpolitische Sprecher. Seit 2008 ist der Bundestagsabgeordnete Wunderlich auch Kreisrat im Kreis Zwickau.

Der Vertreter der Partei DIE LINKE betont gleich am Anfang des Gesprächs, er habe weder gegen den Islam noch sonst eine Religion Vorbehalte. „Da ich im Ruhrgebiet geboren bin, dort zum Kindergarten gegangen bin und meine frühe Kindheit dort verbracht habe, bin ich mit Kindern ausländischer Herkunft groß geworden.“
Auf unsere Frage, was seine Partei denn für einen muslimischen Wähler so interessant mache, entgegnet Jörn Wunderlich: „Meine Partei prüft keine Weltanschauung. Daher gerade sind wir sowohl für Christen, Buddhisten, Juden, Muslime und Atheisten wählbar.“ Ausdrücklich betont der studierte Jurist, jeder Mensch habe das Recht, seine Religion ausüben zu können. „Religionsfreiheit steht bei uns im Grundgesetz. Die Partei, der ich angehöre, bekennt sich zu diesem Grundgesetz. Religionsfreiheit ist für DIE LINKE ein sehr hohes Gut.“

Jörn Wunderlich wünscht sich generell mehr interreligiöse Aktivitäten. Der „Mangel an Information ist teilweise eine der Ursachen für ein Feindbild, gerade gegenüber dem Islam.“
Wer die Religion und die Kultur des anderen Menschen kennt, hat keine Angst mehr.Der Politiker Wunderlich teilt auch mit „der interreligiöse Diskurs, die Ökumene“ fände „tagtäglich bei mir zu Hause statt. Meine Frau ist Katholikin, ich bekenne mich zur Evangelischen Kirche.“ Diese Toleranz gegenüber dem Anderen, der anderen Religion, müsse eingefordert werden. Das ist ein gesellschaftliches Unterfangen.

Bei der Frage nach dem Kopftuch und der Ankündigung der Frau, sie werde zu den Parteiveranstaltungen so bekleidet erscheinen, antwortet der Bundestagsabgeordnete mit einem klaren „ja, wenn die Frau es so möchte. Ich habe damit kein Problem, meine Partei auch nicht. Wir wollen wissen, was steckt unter dem Kopftuch. Ich sage ihr „herzlich willkommen.“

Und wenn sie Parteiämter bekleiden möchte, entscheiden dies die Mitglieder bei Parteiwahlen.“ Generell gelte es für DIE LINKE, religiöse Symbole werden problemlos toleriert. „Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand ein Kreuz trägt oder ein Kopftuch.“ Genauso selbstverständlich müssen die religiösen Menschen damit umgehen können, dass es Leute gibt, die sich nicht der Religion zuwenden wollen. Letztere wiederum müssen akzeptieren, es gibt religiöse Menschen. Es dürfe keine Bedrängung oder Missionierung geben. Das bedeutet, weder für die Religion noch gegen sie. Es spielt keine Rolle, ob „jemand eine Religion hat, wenn ja, welche.“ Dies sei ein „Schubladendenken.“ Man müsse sich auch bewusst machen, „elementare Werte werden durch die Religionen und die Humanisten vermittelt.“

Jörn Wunderlich beantwortet die Frage nach der Kopftuch tragenden deutschen Zollbeamtin auch von der Sichtweise des Rechtsgelehrten aus. „Als Beamter muss man einen Amtseid leisten. Nur wer diese Verfassung akzeptiert, kann Beamter werden. Unsere Verfassung gewährt Religionsfreiheit. Also kann eine Beamter, eine Beamtin – aus meiner Sicht- ein Kreuz, ein Kopftuch oder ein anderes Symbol tragen.“

Der Dienstherr hat natürlich das Recht, die Einstellung zum Beruf, die Leistung zu hinterfragen. Dabei spielt die Religion keine Rolle. Er hoffe, „schnellstmöglich erreichen wir diese Zustände, wo man ein religiöses Symbol tragen kann. Es aber auch nicht von Nachteil ist, keine Religion zu haben.“ Er selber habe das Beispiel England vor Augen, wo religiöse Symbole bei den Beamten gestattet sind.
Der Vertreter der Partei DIE LINKE spricht sich dafür aus, der Mensch steht im Mittelpunkt, nicht die Religion des einzelnen Menschen.

„Man kann an der Religion nicht den Menschen festmachen“, lautet die Einstellung von Jörn Wunderlich. Dies gelte auch für seine Partei. Nochmals betont er, da man bei seiner Partei so offen für Religion sei, aber diese von niemandem einfordere, sei DIE LINKE sowohl für religiöse Menschen als auch religionsfernen attraktiv. Dass es so ist, macht sein Abgeordnetenbüro deutlich. An der Wand ist der gekreuzigte Heiland zu sehen als auch Fotos von Marx und Engels. Darauf angesprochen teilt der Bundestagsabgeordnete mit, „alle 3 haben sich für ihre Mitmenschen eingesetzt und deren Los und Schicksal versucht, zu verbessern.“ (Text Volker- Taher Neef; Foto: Günter Meißner)



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