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Dienstag, 05.02.2002

El-Zayat: "Das heisst noch lange nicht, dass am Ende eine Steuerung durch die Muslimbruderschaft erfolgt ist. Dies ist ganz klar zu verneinen"

In einem Exklusiv-Interview mit islam.de stellt er sich den Fragen über die Nennung der IGD im Verfassungschutzesbericht und über das in jüngster Zeit in Mitleidenschaft geratene Verhältnis zum Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)

islam.de: Herr El-Zayat, Sie sind zum Vorsitzenden der Islamische Gemeinde Deutschland (IGD) gewählt worden und haben noch weitere Funktionen wie MSV-Vorstand, Vorstand in einer Jugendorganisation in Europa und Islamic Relief. Wie wollen Sie all diese Aufgaben unter einem Hut bringen und wie kommt es zu dieser oben genannten Wahl, die recht unbemerkt vonstatten ging?

El-Zayat: Die islamische Gemeinschaft in Deutschland ist 1958 gegründet worden und war an der Gründung verschiedener islamischer Zentren maßgeblich beteiligt, als bekanntestes Beispiel sicherlich das Islamische Zentrum München, welches eine der ersten Moscheen in Deutschland ist. Es sieht so aus, dass die IGD als eine der ersten Organisationen den Sprung in die nächste Generation geschafft hat, der Generationswechsel erfolgt ist, was sicherlich auch mit den jüngsten Ereignissen in der ein oder anderen Form zu tun hatte; hier wurde die Notwendigkeit erkannt, die in Deutschland aufgewachsene Generation von Muslimen mehr und mehr in die Verantwortung mit einzubeziehen.

islam.de:Wie sieht der neue Vorstand aus, und welche Aufgaben haben Sie sich vorgenommen umzusetzen?

El-Zayat: Mir geht es darum, junge Leute intensiv in die Arbeit mit einzubeziehen, ohne auf die Erfahrung der älteren Generation zu verzichten. Deshalb ist mein Stellvertreter jemand, der genau dieses Zwischenglied darstellt, Muhammad Hegazi, ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Islamischen Zentrums in Frankfurt. Es ist parallel zu der Vorstandsänderung eine grundlegend neue Satzung verabschiedet worden, wo viele neue Gremien vorgesehen sind. Ich denke worum es geht ist, dass wir die islamische Gemeinschaft dazu führen, ich will einmal sagen, eine Heimstätte des deutschsprachigen Islams zu werden. Das, was uns eigentlich in Deutschland innerhalb der letzten Jahre am meisten gefehlt hat, ist eine Institution zu schaffen, die die Belange der Muslime in Deutsch sinnvoll vertritt, auf der Basis der Gemeinschaften. Sicherlich haben wir Spitzengremien und durch die Mitgliedschaft im Zentralrat haben wir über Jahre hinweg unter Beweis gestellt, dass hier hervorragende Arbeit geleistet worden ist. Aber es kommt darauf an, dass die Moscheegemeinden selber diesen Wandel vollziehen.

islam.de: Der IGD wird nachgesagt, dass sie ideologisch mit der Muslimbruderschaft in Kontakt ist bzw. Mitglieder der Muslimbruderschaft angehören. Heißt jetzt auch dieser neue Wechsel an der Spitze, dass man sich ideologisch von der Muslimbruderschaft wegbewegt?

El-Zayat: Die Muslimbruderschaft ist eine gesellschaftliche Bewegung in vielen islamischen Ländern, die eigentlich nie eine Vertretung oder offiziellen Ableger in Deutschland gehabt hat. Es gibt auch Mitglieder der Muslimbruderschaft, die sich intensiv an der Gründung und Errichtung islamischer Zentren beteiligt haben. D.h. noch lange nicht, dass am Ende eine Steuerung durch die Muslimbruderschaft erfolgt ist. Dies ist ganz klar zu verneinen.(...)

islam.de: Stichwort Islam deutscher Prägung: Sie haben immer noch eine Reihe von Mitgliedern in der IGD, die der neuen Generation nicht angehören. Wie möchten Sie diesen neuen Kurs, den Sie gerade erwähnt haben, umsetzen?

El-Zayat: Die ist in der Tat eine Herausforderung vor der wir heute stehen, die wir meistern müssen. Das ist nicht nur die Herausforderung der arabisch geprägten Moscheegemeinden und Dachverbände, sondern sicherlich auch der türkischsprachigen. Das ist eine Herausforderung, die dann nur umgesetzt werden kann, indem das Gewicht an Jugendlichen oder zweiter Generation nach und nach deutlich zunimmt, d.h. dass ich mich ganz gezielt darum bemühen werde, gerade dieser Schicht, der ich mich selber auch zugehörig fühle, als halber Deutscher und halber Ägypter in Deutschland aufgewachsen, sehr viel mehr Raum und Platz innerhalb der Gemeinschaft zu geben und so diesen Wandel umzusetzen versuche.

islam.de: Der Verfassungsschutz berichtet seit Jahren davon, dass die IGD im extremistischen Bereich einzustufen ist. Wie gehen Sie mit diesem Vorwurf um und wie wollen Sie dem entgegentreten?

El-Zayat: Dies ist nicht nur ein Vorwurf gegen die IGD, sondern ein Vorwurf, der andere muslimischen Institutionen auch betrifft.
islam.de :Wie meinen Sie das?
El-Zayat: Mit Ausnahme der DITIB gibt es meines Wissens keine islamische Institution die nicht in irgendeiner Form in Verfassungsschutzberichten Erwähnung gefunden hat. Worum es geht, ist klar zu machen, dass die Betrachtungsweise der muslimischen Institutionen auf eine andere Ebene gehoben werden muss. Es kann nicht angehen, dass der Islam und die muslimischen Organisationen immer nur als Bedrohung empfunden werden, sondern wir müssen aktiv daran arbeiten, als Bereicherung in dieser Gesellschaft empfunden zu werden. Wir müssen es schaffen, ganz klar zu machen, dass wir in keinster Form Rechtfertigungen für solche Vorwürfe liefern.

islam.de: Werden Sie das Gespräch mit dem Verfassungsschutz suchen?

El-Zayat: Ehrlich gesagt, habe ich mir bis jetzt noch keine Gedanken darüber gemacht, aber ich werde nicht Gesprächen mit dem Verfassungsschutz aus dem Weg gehen, wenn sie denn kommen, um klar zu stellen, wo wir stehen, und zwar auf dem Boden dieses Grundgesetzes.

islam.de :Die IGD ist Mitglied des Zentralrates. Dieser ist in der Vergangenheit öfters auch mit unangenehmen Fragen konfrontiert worden, wie es um die Besetzung der IGD aussieht und die Erwähnung im Verfassungsschutz. Der Zentralrat hat dem entgegengesetzt, dass solange keine strafrechtlichen Tatbestände vorliegen und die Mitgliedsorgansation sich nicht in dieser Richtung vergangen hat, es Mitglied bleiben wird. Wie möchten Sie dieses etwas angekratzte Vertrauen gegenüber dem ZMD wieder herstellen?

El-Zayat: Mit ist von keiner Seite mitgeteilt worden, dass es in irgendeiner Form ein beschädigtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Zentralrat und der IGD gibt, im Gegenteil, wir sind Gründungsmitglied des Zentralrates und haben auf allen Ebenen immer konstruktiv uns darum bemüht, den Muslimen eine Stimme in dieser Gesellschaft zu geben. Ich denke, dass der Erfolg des Zentralrates auch ein Erfolg seiner Mitgliedsorganisationen ist und die Vorwürfe, die von verschiedenen Seiten erhoben werden, eigentlich klar und deutlich beantwortet sind, so dass ich hier keinen Erklärungsbedarf sehe.

islam.de: In Ihrer Biographie schlägt sich das Thema "Deutscher Islam" nieder. Ihre Mutter ist Deutsche, Sie sind hier geboren und aufgewachsen, haben hier studiert. Sie haben gerade schon den Stellenwert des "Islam deutscher Prägung" herangezogen. Was sind Ihre Visionen für die Zukunft, in den nächsten 10 Jahren? Wo soll der Islam, wo sollen die Muslime stehen?

El-Zayat: Ich bin bei Visionen mittlerweile sehr vorsichtig. Denn als ich einmal geäußert habe, dass ich es nicht als unmöglich empfinde, wenn es im Jahre 2020 einen muslimischen Bundeskanzler gibt, habe ich heftige Kritik geerntet. Es geht darum, dass Muslime einen ihnen angemessenen Platz in dieser Gesellschaft finden, dass sie als selbstverständlicher Bestandteil und Bereicherung dieser Gesellschaft betrachtet werden. Ich glaube, dass es durchaus realistisch ist zu sehen, dass diese große Herausforderung, die die Mehrheitsgesellschaft aber auch die Minderheitsgesellschaft angeht, dass diese gemeinsam bewältigt werden kann, in der Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Gesamtgesellschaft. Ich glaube es ist ohne Zweifel so, dass die Muslime gebraucht werden und nicht nur weil wir bevölkerungstechnisch betrachtet eine Notwendigkeit haben, neue Staatsbürger als Steuerzahler zu bekommen. Es geht auch darum, dass die Werte für die die Muslime stehen, dass die Frage nach Religion in der Gesellschaft, Fragestellungen sind, wo die Muslime gemeinsam mit den anderen Religionen Antworten geben können, die durchaus gebraucht werden.

islam.de: Herr El-Zayat, wir danken Ihnen für das Gespräch