Newsinternational Freitag, 05.11.2004 |  Drucken

Friedensnobelpreisträger, Widerstandskämpfer und nicht selten von seinen politischen Gegner als "Terrorist" beschimpft: Jassir Arafat

"Abu Ammar" und seine sieben Leben

Gefeiert wurde er erst im Jahr 2000 wieder, als seine harte Haltung bei den Friedensverhandlungen in Camp David dem als Opportunist beschimpften Mann neues Ansehen im Volk gaben. Es wuchs weiter, als Arafat mit der andauernden zweiten Intifada zunehmend israelischen Repressalien und militärischen Druck ausgesetzt war. Die Politik der Regierung Ariel Scharons gegenüber dem Palästinenser-Präsidenten, die ihn von nun an als Terroristen bezeichneten und die brutale Besatzung gegen die Palästinenser förderte die Solidarität mit der Symbolfigur. Diese Gunst der Stunde nutzen Hamas und Dschihad nicht aus um einen Schulterschluss mit Arafat zu wagen. Vielmehr konzentrierten sie ihre Kraft ihren Führungsanspruch zu behaupten. Dies war von Scharon einkalkuliert worden und die gezielte Ermordung des Hamas Führers Scheich Jassin folgte auf den Fuß. In der folgenden Zeit wurde es um Arafat immer ruhiger, auch weil die permanente diplomatische Missachtung der USA ihm gegenüber nun auch die Öffentlichkeit und die Medien zur Zurückhaltung veranlasste. Jassir Arafat ist seit 1992 mit Suha Tawil verheiratet, die im Exil lebt. Er hinterlässt eine Tochter. "Abu Ammar", wie er von seinen engsten Anhängern gerne genannt wird, wurde wegen seinem turbulenten Widerstandskampf oft sieben Leben nachgesagt. Gott scheint nun die letzten Züge seines "Siebten" eingeleitet zu haben.


Zur Biographie im Einzelnen:

Jassir Arafat wurde am 27. August 1929 als Mohammed Abdal Rauf Arafat el Kudwa el Husseini in die Familie eines wohlhabenden Textilhändlers geboren. Offiziell wird Jerusalem als Geburtsort angegeben. Schon früh beteiligte sich Arafat an Aktionen gegen die britische Mandatsmacht in Palästina und organisierte sich gegen militante zionistische Gruppen. 1959 gründete der studierte Ingenieur die Fatah-Organisation, die sich 1965 den bewaffneten Kampf gegen Israel auf die Fahnen schrieb und unter Arafats Führung zu einer der stärksten palästinensischen Kampfgruppen wurde.

Als die Fatah 1969 der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) beitrat, hatte Arafat sich erhebliche Anerkennung als Guerilla-Kämpfer erworben. Der damals 40-Jährige ließ sich an die Spitze der fünf Jahre zuvor gegründeten PLO wählen, deren Vorsitz er bis heute innehat. Der Überzeugung folgend, dass Israel nicht durch konventionellen Krieg, sondern nur durch Partisanenkampf zu besiegen sei, verschaffte er der PLO ein eigenständiges Profil und eine wachsende Unabhängigkeit von den arabischen Staaten.

1970 scheiterte ein Versuch der PLO, König Hussein von Jordanien zu stürzen. Nach schweren Kämpfen mussten die Guerilla-Gruppen ihr damaliges Operationsgebiet Jordanien verlassen. Arafat floh mit seinen Anhängern in den Libanon. In der Folgezeit verlegten sich militante PLO-Gruppen auf eine Strategie des bewaffneten Kampfes auf israelischem und internationalem Gebiet. Sie waren Urheber von Attentaten wie dem auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen in München 1972. Arafat, der in der PLO früh als Vertreter eines gemäßigten Flügels galt, konnte diese Anschläge nicht verhindern.

Durch parallel diplomatische Bemühungen konnte sich Arafat international Anerkennung verschaffen. Während die PLO auf militärischem Gebiet herbe Niederlagen erlitt - so im Libanon-Feldzug Israels 1982 - verfolgte Arafat seine diplomatischen Bemühungen weiter. Dem nun im Exil in Tunesien lebenden PLO-Chef gelang es nicht nur immer wieder, Flügelkämpfe mit den Radikalen in seiner Organisation zu entschärfen. 1988 schaffte er es schließlich auch, dem Palästinensischen Nationalrat eine indirekte Anerkennung des israelischen Existenzrechts abzuringen. Im selben Jahr proklamierte Arafat in Algerien symbolisch einen Staat Palästina.

Arafats Hinwendung zu einer auf Koexistenz mit Israel abzielenden Politik brachte ihm 1994 ebenso wie dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Jizchak Rabin und dem israelischen Außenminister Schimon Peres den Friedensnobelpreis ein. Gemeinsam mit ihnen hatte er 1993 in Oslo einen Verhandlungsdurchbruch erreicht. Der weltweit bejubelte Handschlag mit Rabin auf dem Rasen des Weißen Hauses ermöglichte Arafat die Rückkehr in die Palästinensergebiete. 1996 wurde er mit großer Mehrheit zum Präsidenten der Palästinenser gewählt.

Dennoch: Arafats auf Versöhnung bedachte Politik stieß bei den Palästinensern nicht nur auf Zustimmung. Viele, wie die Hamas, betrachteten ihn gar als Verräter an der eigenen Sache. Kritiker warfen und werfen den palästinensischen Behörden zudem einen wenig zimperlichen Umgang mit Dissidenten, Selbstherrlichkeit und mangelndes Demokratieverständnis vor. Als die Autonomiebehörde 1997 auch noch in einen schweren Korruptionsskandal verwickelt war, schien Arafats Ansehen auf dem Tiefpunkt.




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