Leserbriefe Donnerstag, 09.02.2006 |  Drucken

Leserbriefe



Samina Khan schrieb:
Karikaturenstreit: Im Namen der Freiheit und Güterabwegung


Nun stelle man sich vor, dass man im Namen der islamischen Religionsfreiheit einem Mann in Deutschland wegen seiner Haltung zum Stehlen die Hand abhacken würde.

Was würde passieren?

Als erstes würde man wegen Körperverletzung ins Gefängnis kommen. Weiterhin würde man angeklagt, verurteilt und eingesperrt werden. Man würde den Gesundheitszustand dieser Person überprüfen wollen.

Weiterhin gäbe es Massenproteste und Kundgebungen, zumal sich der Muslim, um sein persönliches Recht auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit berufen würde. Er würde naturgemäß nicht das Recht haben dieses zu tun. Es wäre weder islamisch legitim noch rechtlich haltbar. Er bestünde nun aber auf sein Recht, seine Gesinnung so ausleben zu dürfen wie es ihm passt. Den Verlust, in diesem Fall die Hand des nichtmuslimischen Menschen würde er in Kauf nehmen, da er für einen vermeintlichen islamischen Wert stehen würde.

Seine egozentrische Sicht würde abgelehnt werden. Denn seine Freiheit so leben zu dürfen wie er es sich wünscht tritt in Konflikt mit dem wie andere zu leben wünschen. Die Unversehrtheit des Lebens und des Individuums hätten in diesem Fall Vorrang.

Es gäbe eine Güterabwegung. Der Schaden, den dieser Mensch durch seine radikale Haltung zum Ausdruck gebracht hat, wäre nicht gut zu machen, denn er hat einen Menschen schwer verletzt und ein Leben lang gezeichnet. Der Grund dafür wäre, dass im Allgemeinen ein Konsens in dieser Gesellschaft herrscht, dass man einen Körper nicht verletzen darf. Das Leben steht über dem Wert einer Ware. Eindeutig.

Hier machen wir einen Schnitt und überlegen uns, ob die Freiheit, die sich ein Redakteur herausnimmt, ohne auf die Gefühle der Menschen auf dieser Welt zu nehmen, kann nur gerechtfertigt sein, wenn er einen Missstand aufdecken will.

Im Islam gibt es hierzu die Aussage, dass man Negatives nur in der Öffentlichkeit darstellen soll, wenn jemandem Unrecht geschehen ist.

Weiterhin kann man sich eine Frage stellen: Welche ethischen Grundwerte vertritt eine Gesellschaft in der alles gesagt werden darf ohne auf die Würde des Menschen Rücksicht zu nehmen?

Ist es eher schick den bösen Moslem zu verhöhnen, indem man seinen Propheten verhöhnt?

Oder ist es eher schick, dass man Peinlichkeiten schützt, die weniger mit Meinungsfreiheit und mehr mit Beleidigungen zu tun haben?

Gibt es keine ethischen Grundsätze für Journalisten?

Ist die Würde des Menschen durch den Journalisten antastbar?

Dann müsste im Grundgesetz stehen" Die Würde des Menschen ist unantastbar, außer durch die Presse."

Und warum wundert man sich, dass diese Länder zu friedlichen Mitteln greifen und boykottieren ? Sicherlich bestrafen sie undiffernziert ein Volk wegen einer Zeitung zumal der Prophet in einer ähnlichen Situation nur mit Geduld reagiert hat und nicht zu Boykotten oder zur Gewalt aufgerufen hat.

Versteht man aber nicht die genaue aktuelle Lage oder will man sie nicht verstehen?

Die Fronten sind verhärtet, die Menschen sind aufgrund der Angiffskriege gegen muslimische Länder ohnehin aufgeheizt. Man hat ihnen schon jegliche Entscheidungsfreiheit genommen und nun nimmt man ihnen auch noch ihre Würde.

Mich wundert nicht, dass die radikalen Palästinenser auf die Barrikaden gehen. Mich wundert nicht, dass die Moslems in der Golfregion zu Boykotten aufrufen. Mich wundert nicht, dass die Moslems im Allgemeinen empfindlich gegen Beleidigungen gegenüber ihren Propheten reagieren. Man weiß das spätestens seit Salam Rushdie.

Mich wundert auch nicht, dass die Gewalt in einer Region mit alltäglicher Gewalt eskaliert.

Was mich wundert ist der Zeitraum in der solche Provokationen geschehen. Mich wundert die Art und Weise wie solche Provokationen passieren. Mich wundert, dass der so aufgeklärte Westen in seiner Aufklärung den Wert der Menschenwürde bewusst übersieht, so, als ob Moslems kein Recht auf Menschenwürde hätten. Mich wundert die Aufgeklärtheit der Politiker, die wegen Verleumdungen, die ihre Person betreffen, sofort mit Klagen ahnden würden und nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, dass die Moslems eine enge emotionale Bindung zu ihrem Propheten haben und sich kollektiv verleumdet fühlen, weil sie ihn als Identifikationsfigur sehen.

Vielleicht sollte der Westen auch über die anderen Werte der Aufklärung nachdenken und Güterabwegung betreiben.

Eine neue Ethik des Respekts und kultivierten Umgangs miteinander,auch durch die Presse, sollte schick sein.
Dann bräuchte man sich für seine Landsleute nicht mehr zu entschuldigen.


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