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Samstag, 19.07.2003

Radikale haben den letzten Stoss verpasst: Marokko verlässt seinen Reformweg

Anschläge habe nur den Islam geschadet - Kommunalwahlen im Juni "verschoben" - Bald algerische Verhältnisse?

Madrid - Eines der zaghaftesten, aber hoffnungsvoll begleiteten Reformprojekte in der arabischen Welt steht vor dem Aus: die marokkanische "Alternance", das Experiment eines demokratischen Wandels unter Beibehaltung des Status quo. "Jetzt ist Schluss mit der Laxheit gegenüber allen, die die Demokratie nutzen, um Hass, Fanatismus und Zwietracht zu säen, und die allgemeine Sicherheit bedrohen", hatte König Mohammed VI. bereits kurz nach den verheerenden Terroranschlägen vom 16. Mai in Casablanca gesagt. Sicherlich hat er auf der einen Seite recht, doch auf der anderen Seite wird im Namen des Kampfes gegen den Terror die Demokratie geopfert!

Jetzt hat die marokkanische Justiz nach acht Jahren wieder die ersten Todesurteile gesprochen: Das Appellationsgericht von Casablanca verurteilte zehn Mitglieder der Gruppe Salafistischer Dschihad wegen "Mordes, Anstiftung zu Gewalttaten und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" zum Tode. Über 20 weitere Mitglieder wurden Haftstrafen zwischen lebenslang und fünf Jahren verhängt. Einer der Hauptangeklagten, Youssouf Fikri alias "Blut-Emir", gab vor Gericht zu, "Feinde Gottes getötet" zu haben.

Das rigorose Vorgehen gegen die Fundamentalisten empfinden auch die Partei Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) und die illegale, aber geduldete Gruppe "Gerechtigkeit und Spiritualität" als Kampfansage. Obwohl beide Gruppen Gewalt ablehnen und die Attentate verurteilten, sind sie dem Staat seit langem ein Dorn im Auge: Die PJD hat sich bei den Parlamentswahlen im September 2002 zur drittstärksten Kraft entwickeln können. Nun wurden die Kommunalwahlen im Juni "verschoben" - wohl aus Furcht vor weiterem Zulauf. "Gerechtigkeit und Spiritualität" des greisen Scheichs Abdesalaam Yassine mobilisiert gerade in Casablanca immer wieder Hunderttausende

Das Ende der Nachsichtigkeit trifft also auch Regimekritiker, die unverdächtig sind. Ali Lmrabet zählt zu ihnen. Der Chefredakteur der Satirezeitschrift "Demain" wurde unter anderem wegen Majestätsbeleidigung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der Journalist war für die Selbstbestimmung der Saharaouis in der Westsahara eingetreten und hatte Zahlen zum Haushalt der königlichen Palastes veröffentlicht.