Leserbriefe Montag, 31.10.2005 |  Drucken

Leserbriefe



M. Belal El-Mogaddedi schrieb:
Rabbatz um Raddatz oder: Der ewige Hass des Hans Peter Raddatz auf den Islam


Den Redakteuren des Magazins „Report“ ist es in ihrer Sendung vom 17.10.2005 wieder einmal gelungen am Beispiel des H.P. Raddatz einer breiten deutschen Öffentlichkeit eine Schreckgestalt vom gewaltbereiten Muslim und einem doktrinären Islam zu vermitteln.
Die Verantwortlichen für das Internetforum „MuslimMarkt“ lieferten mit ihrem Rückgriff auf die Anflehung Gottes zur Beilegung einer Auseinandersetzung (arabisch: „Mubahala“) den Verantwortlichen „Report“ - Redakteuren und Herrn Raddatz eine unglückliche Vorlage, so dass Herrn Raddatz nun der – von ihm langersehnte? - Opferstatus und die Verleihung des Heiligenscheines durch seine Sympathisanten als Verteidiger des Christentums und des Rechtsstaates gewiss ist.

Muslime beschäftigen sich immer wieder mit Kleingeistern vom Kaliber eines H.P. Raddatz und verschwenden ihre Zeit mit ihnen, obwohl eindeutig ist, dass diese die personifizierte Unbelehrbarkeit darstellen.
Auf Personen wie Herrn Raddatz einzugehen, ist von sinnloser Unproduktivität, da sich ihre vom Hass auf den Islam geprägte Arbeit in eine lange Historie von Aktivitäten einreiht, die versuchen Islam und Muslime zu diskreditieren und zu diffamieren.
Die unqualifizierte Form der Auseinandersetzung mit dem Islam begann mit der Verkündung des Islams und sie wird nicht mit einer „Mubahala“ der dafür verantwortlichen Personen enden.
In Afghanistan gibt es den Sinnspruch, dass das Geschlabber eines Kamels am Seeufer, die Qualität des Wassers nicht beeinträchtigt.
Die in diesem Bild liegende und zu etwas mehr Gelassenheit mahnende Sicht der Dinge wäre sicherlich der bessere Weg für den Umgang des „MuslimMarkt“ mit Herrn Raddatz gewesen. Der Provokateur, und nichts anderes ist Herr Raddatz, wird durch die bewusste Ignorierung seiner absurden Gedankenspiele am härtesten getroffen. Die intensive Auseinandersetzung mit den Thesen eines H. P. Raddatz räumen diesen eine Bedeutungsqualität ein, die sie nicht verdienen.
Dennoch darf zur Verteidigung der Verantwortlichen des „MuslimMarkt“ an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit dem Islam häufig von einer islamophobischen und verleumderischen Qualität ist, die in der Geschichte des Nachkriegsdeutschlands selten anzutreffen ist.
Vor nicht allzu langer hat der noch amtierende Innenminister Otto Schily im Bezug auf den Umgang mit Muslimen in Deutschland offenbar einen Diskussionsarameter mit diesen Worten vorgegeben: "Es muss aber erlaubt sein zu sagen, dass der muslimische Glaube eine Verirrung ist".
Es stimmt nachdenklich, das die Beleidigung des Anderen Bestandteil des Dialog- und Diskussionsverständnisses eines anthroposophisch geprägten sozialdemokratischen Politikers sein kann.
Ein derartiges, wohl nur auf den Islam und seine Anhänger beschränktes Verständnis von Gesprächskultur, schafft im Ergebnis Raum für die „Raddatze“ dieser Republik.
Der Islamophilie soll hier nicht das Wort geredet werden, aber der Vernunftbetonten, sachlichen Auseinandersetzung mit dem Islam im Interesse des Abbaus gegenseitiger Vorurteile.
Raddatz beleidigt, verleumdet, schürt und hetzt in seinen Büchern gegen Islam und Muslime. Vor diesem Hintergrund mutet es höchst erstaunlich an, dass H.P. Raddatz nun die Chuzpe besitzt, seine groteske Idee von einer aus seiner Sicht angeblich notwendigen „Lex Islam“ in die Öffentlichkeit zu tragen.
Hier bemüht Raddatz wie so häufig das Argument, seine „Arbeit“ als integrationsfördernde Maßnahme im Interesse der Muslime in Deutschland anzusehen. Raddatz will sich aus seiner Sicht als Befreier der von einer „fundamentalistischen muslimischen Minderheit unterdrückten Mehrheit der Muslime in Deutschland“ verstanden wissen. Es ist aber allzu offenkundig, dass an seinem von Engstirnigkeit gezeichneten gedanklichen Unwesen keine programmatische Integrationsbestrebung erwachsen kann, den seine Vorstellung des muslimischen Lebens in der Bundesrepublik ist ohne Realitätsbezug. Muslime sind in Deutschland viel stärker um Integration bemüht, als es einem H.P. Raddatz und seinem Welt-und Deutschlandbild lieb sein kann.
Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang, dass die „Islamismus“-Berichterstatterin der CDU/CSU im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Frau Kristina Köhler, die Muslime in Deutschland zu einer Distanzierung vom „MuslimMarkt“ aufruft und sich mit H. P. Raddatz solidarisiert
Sie spricht von der „Religionsfreiheit“ als „ein hohes Verfassungsgut“, die „aber wehrhaft sein“ muss und wirft den von ihr als „Islamisten“ titulierten Muslimen Missbrauch der Religionsfreiheit vor, „um die Freiheit anderer zu beschränken“.
Mit derartigen Meinungsäußerungen redet Frau Köhler christlichen Hasspredigern vom Schlag eines Herrn Raddatz das Wort. Sie spricht Muslimen die Inanspruchnahme der wehrhaften Religionsfreiheit, die gerade muslimischen Frauen mit Kopftuch abgesprochen wird, ab, und sie fordert Muslime offensichtlich dazu auf, der Verunstaltung ihrer Religion im Namen der Religionsfreiheit nichts entgegenzusetzen.
Der in diesem Zusammenhang eingebrachte Verweis von Frau Köhler auf den Mord an einer Deutschtürkin in Berlin ist genauso rätselhaft wie auch enthüllend; er ist Ausdruck einer argumentativen Verwurstungsmentalität von unterschiedlichsten Themen und Sachverhalten, wenn es um Muslime geht.
Ein derartiger Aufruf hinterlässt in letzter Konsequenz den Eindruck, dass die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit von den Vätern des Grundgesetzes als christliche Einbahnstrasse und Freibrief zur Verleumdung anderer religiöser Menschen im Namen der Meinungsfreiheit definiert worden sei.
Distanzierungsappelle machen tatsächlich nur dann Sinn, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte von Extremisten gleich welcher Couleur Abstand nehmen, und den Weg zu einem gemeinsamen Diskurs in der gesellschaftlichen Mitte suchen.

In einer Auseinandersetzung mit H.P. Raddatz muss es berechtigt sein, auch nach seiner so oft zitierten islamkritischen Kompetenz zu fragen, da seine Art der Beschäftigung mit dem Islam jedweder Norm gesellschaftsverträglicher und konstruktiver Kritik widerspricht.
Der Wirtschaftler Raddatz hat nicht Islamologie studiert, und der beständige Verweis auf sein Studium der Orintalistik und seine angebliche Kenntnis der arabischen Sprache sind nicht Ausdruck interpretatorischer Kompetenz, sondern zeigen bei genauer Betrachtungsweise die augenfälligen Grenzen seiner Sachverständigkeit auf.

Raddatz versucht mittels seines in der Ökonomie erworbenen Wissens der Systemanalytik, dem bereits verschreckten Durchschnittseuropäer ein Zerrbild des Islam zu vermitteln, indem er mit schauderhaften und abscheulichen Stereotypen arbeitet.
An die Stelle der in der Wirtschaft für eine prognostische Aussage notwendigen statistischen Faktoren setzt er formelnhaft seine eklatanten Fehlurteile, um auf diese Weise Angstbilder und Schreckensvisionen vom Islam zu entwerfen.
Für ihn ist der Muslim, eine Person, die antijüdisch, antichristlich, friedensfeindlich und mörderisch ist, die in ihrer Gefahr für den Westen „verharmlost“ wird.
Dialog mit Muslimen bedeutet für ihn augenscheinlich ein Schimpfwort und ist gleichbedeutend mit Verrat am Christentum, darunter versteht der Ex-Protestant in erster Linie seine Auslegung des Katholizismus.
Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, die Gleichsetzung arabischer Politik mit Islam, und regellose eigene Gedankenkonstrukte sollen dem wissenschaftlichen Begehren seiner Ausführungen Substanz verleihen.
Die pathologisch anmutende Konzentration des H.P. Raddatz auf die Sexualität des muslimischen Mannes zum Zwecke seiner Mutmaßungen über den Islam, kann für mit Projektionszuständen vertraute Psychoanalytiker eine wahre Fundgrube sein.
Sein Versuch eine Religion und eine Religionsgemeinschaft mittels einer Systemanalyse zu verstehen ist unehrlich, da sie ein bruchstückhaftes, herabgesetztes und demagogisches Negativ der praktischen und theoretischen Realität darstellt, mit dessen Hilfe er seine Vorurteile über Islam und Muslime einer breiten Öffentlichkeit nahe bringen will.
Mittels eines in seinem Orientalistikstudium begründeten wissenschaftlichen Dunstes versucht er krampfhaft seinen Vorurteilen akademische Seriosität zu verleihen. Ein inakzeptables Trugbild!
Auch die im „Report“ Bericht von der Marburger Professorin für Religionsgeschichte und Semitistik U. Spuler-Stegemann geleistete Unterstützung – wie bei Raddatz glänzt auch hier das Studium der Islamologie durch Abwesenheit - für die Raddatzsche Interpretation in der „Mubahala“ einen Aufruf zum Mord zu sehen, stellt einen mühseligen Versuch dar, der Unhaltbarkeit seiner Ansichten eine wissenschaftliche Aura zu verleihen.
Die ebenfalls im Bericht zum Tragen kommende Unterstützung von Professor Tilman Nagel für Raddatz überrascht. Als Islamwissenschaftler sollte er wissen, dass das Instrument der „Mubahala“ ein Mittel zur Vermeidung von Gewalt darstellt, weil mit ihr eine Eskalation verhindert, und die Entscheidung über Wahrheit und Unwahrheit einer höheren Instanz, in diesem Fall Gott, überlassen wird.
Inwieweit ein Orientalismusstudium, ein Studium der arabischen Sprache oder sogar ein Studium der Islamwissenschaft, Fähigkeiten der Interpretation der religiösen Quellen des Islam jenseits einer theologischen Qualifizierung vermittelt, sei dahingestellt. In der islamischen Wissenschaftstradition ist das Theologiestuium eine Minimalvorasssetzung für eine qualifizierte Interpretation religiöser Quellen, aber sie ist ohne zusätzliche fundierte Kenntnisse der Literatur, Philosophie, der Rechts-, Sozial- und Politikwissenschaften und Geschichte etc. etc. nicht möglich.
(Mittlerweile hat sogar das BKA die Auffassung, dass es sich um bei der „Muslimmarkt“ Veröffentlichung um einen Mordaufruf handelt, verworfen.)

Möglicherweise ist es die Inanspruchnahme wissenschaftlicher Seriosität durch H.P.Raddatz und die wachsende Bereitschaft der Medien antimuslimischen Extremisten eine Plattform zur Verbreitung ihres Gedankengutes zu offerieren, die es dem „MuslimMarkt“ und auch anderen Muslimen so schwierig macht, den Hassprediger Raddatz und seinesgleichen dauerhaft zu ignorieren, zumal ihre Tiraden gegen Islam und Muslime sich zunehmend auf die politische Gestaltung des Umganges mit Muslimen und den rechtlichen Status von Muslimen auswirken.

Mitte des 19. Jahrhunderts hat schon einmal ein Deutscher versucht, einer breiten Öffentlichkeit, den Orient bzw. den Islam näher zu bringen. Für diesen Experten des Orients waren Perser von "kriechendem Wesen", die Araber von "rauer Ehrlichkeit", Griechen waren "falsch", Armenier "sittenlos", Kurden "raubsüchtig" und Türken "träge". Dieser „Orientalist, der sein „Wissen“ aus Lexika, Atlanten, Reiseberichten, und Wörterbüchern bezog hieß Karl May. Mit seinem Orientbild hat er Generationen von Deutschen beeinflusst und kolonialen Bestrebungen seiner Zeit den Nährboden geliefert.
Herr Raddatz leistet mit seinen fragwürdigen geistigen Ergüssen über den Islam einer hasserfüllten Vorurteils- und Verurteilungskultur über Muslime in diesem Land Vorschub.

Insbesondere für einen Deutschen muslimischen Glaubens aber auch für nichtdeutsche Muslime im allgemeinen, ist es befremdend und bedrückend zugleich, wie stark einerseits die medial vermittelte öffentliche Wahrnehmung vom Islam und von Muslimen durch extreme Ansichten geprägt und wie andereseits in der Folge die tatsächliche Religionsfreiheit eingeschränkt und der Intoleranz Tür und Tor geöffnet wird.
Zu dem von einigen wenigen, verirrten und fehlgeleiteten Muslimen und gegen zentrale Lehren des Islam verstoßenden betriebenen physischen Terrorismus gesellt sich eine Form der Auseinandersetzung, die durch Hassprediger vom Schlage des H.P. Raddatz betrieben wird, die durchaus als geistiger Terrorismus wahrgenommen werden darf.
Beide Phänomene unserer Gegenwart beruhen auf einer extrem oberflächlichen, unqualifizierten, nachlässigen und flüchtigen Auseinandersetzung mit den Quellen des Islams.

Im Interesse eines innergesellschaftlichen Friedens in Deutschland ist es notwendig, das Muslime die Verantwortlichen in der Politik auf Fehlentwicklungen in der Diskussionskultur hinweisen, allerdings muss dies auf eine andere Weise als es der „MuslimMarkt“ in diesem Fall getan hat, geschehen.
Die Initiative von „Islamische Zeitung“ und „Islam.de“ H.P. Raddatz zum Gespräch und zur direkten Diskussion einzuladen, ist ein richtiger Schritt, um die Demaskierung des Provokateurs Raddatz endgültig zu erreichen, damit der von ihm betriebene gesellschaftliche Spaltungsversuch zwischen Minderheit und Mehrheit auf der Basis der Religionszugehörigkeit nicht zum Tragen kommen kann.

Abschließend sei hier ein Verweis auf Sir Peter Ustinov erlaubt, der sich zeit seines Lebens mit dem Phänomen des Vorurteils auseinandergesetzt hat. Er hat folgendes festgestellt:
„Das Vorurteil ist nach Jahrhunderten im Untergrund als Maulwurf in unserer Mitte identifiziert worden. Es ist identifiziert worden als einer der großen Schurken in der Besetzungsliste der Geschichte.
Es ist verantwortlich für die Missverständnisse zwischen Nationen und Religionen, die anders sind als die eigene, genauso wie für die unkritische Lobpreisung der eigenen Religion und Nation.
Es benutzt die blanke Unkenntnis als Waffe."
Gerade in Deutschland sollte diese weise Erkenntnis über die katastrophalen Auswirkungen einer auf Vorurteilen basierenden Auseinandersetzung mit Menschen anderen Glaubens zu mehr Nachdenklichkeit Anlass geben und als Aufruf zum respektvollen Umgang mit dem Anderen verstanden werden.


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