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Montag, 09.07.2018

Breite Kritik an Asylstreit - Kardinal: "eiskalte Machtspiele"

Die Asyldebatte in Deutschland und der EU stößt weiter auf harsche Kritik

Bonn - So ging der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki Politiker scharf an. Er sei traurig, dass wochenlang darüber gestritten worden sei, "wie Menschen möglichst effizient an unseren Grenzen abgeschoben oder zurückgewiesen werden können", sagte Woelki am Sonntag dem Kölner domradio.de. Dies täten "auch Politiker, die ihre Partei sozial und christlich nennen". Während allein in diesem Jahr schon mehr als 1.400 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken seien, spielten die Politiker "eiskalt und selbstverliebt ihre Machtspielchen".

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verteidigte die Flüchtlingspolitik seiner Partei. Auf die Frage der "Bild am Sonntag", ob das Verhalten der CSU wirklich christlich und sozial sei, verwies er auf das "erste und wichtige Handlungsfeld" im Masterplan. Dort stehe, wie in den Herkunftsländern der Migranten geholfen werden müsse. Hilfe vor Ort sei "der humanste und wirksamste Weg, Fluchtursachen zu begegnen". Humanität und Ordnung seien kein Widerspruch, sondern gehörten notwendig zusammen, so Seehofer.

Der Politikwissenschaftler und Publizist Andreas Püttmann kritisierte die CSU. Hinter der Regierungskrise um die Grenzfrage stehe ein verändertes Gesamtbild der CSU: "von Scharfmacherei im AfD-Sound über die Orban- und Putin-Umarmungen bis hin zu Kreuzmissbrauch, Kirchenschelte und der Denunziation von Moral", sagte Püttmann im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Kritisch bewertete er Begriffe wie "Asyltourismus", die unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) immer wieder benutze.



Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier monierte die Sprache in dem Diskurs. Im ZDF-Sommerinterview verurteilte er Begriffe wie "Asyltourismus" und fügte hinzu: "Ich halte die 'Achse der Willigen' in diesem Zusammenhang für wirklich keine geeignete Sprache." Der Weg zu einer gemeinsamen Migrationspolitik in Europa sei schließlich mühsam genug. Daher solle man auch "keine Sprache pflegen, die noch spalterisch wirken kann". Solche Begriffe stärkten nur jene, die sich einer gemeinsamen Politik in Europa in den Weg stellten.

Kardinal Woelki betonte weiter, gerade die Deutschen hätten aus historischen Gründen eine ganz besondere Verantwortung für Flüchtlinge. "Doch heute als reiches Land zahlen wir lieber viele Milliarden für Abschottung und Grenzschutzanlagen, statt Ertrinkende zu retten und Schutzsuchenden eine neue Heimat zu geben", sagte er. Er finde "erbärmlich", dass sich 28 europäische Staaten nur noch darauf einigen können, ihre Grenzmauern und Zäune höher zu ziehen, so Woelki zum Ende Juni beschlossenen EU-Asyl-Abkommen.

Der Friedensnobelpreisträger von 1996 Jose Ramos-Horta betonte im Gespräch mit dem "Tagesspiegel", Migration sei nicht nur eine Frage der Europäer. Länder wie Saudi-Arabien entzögen sich ihrer Verantwortung. Der frühere Präsident Osttimors sprach sich gegen eine Abschottung aus: "Die europäischen Regierungen müssen in der Flüchtlingsfrage eine Einigung finden und eine feste Zahl nennen, wie viele Menschen jedes Land aufnehmen kann." Die "Willkommens"-Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2015 lobte Ramos-Horta ausdrücklich: "Ich bin sicher, in den Geschichtsbüchern wird einmal stehen: Merkel hat damals Europa gerettet."