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Dienstag, 17.05.2005

Kinder im Elend im Irak

Wie sehr sich die gesundheitliche Situation der irakischen Kinder durch Krieg und Konflikt verschlechtert hat, zeigt die Tatsache, dass vor dem Golfkrieg von 1991 zwei von zehn Kindern an Durchfallerkrankungen starben, nach dem Krieg aber vier von zehn

(ips/iz)Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) hat zusammen mit dem irakischen Planungsministerium die seit Jahren erste statistische Erhebung über die Lebensbedingungen im Irak vorgelegt. Verantwortlich für die Befragung von 22.000 Haushalten war die dem Ministerium unterstehende 'Central Organisation for Statistics and Information Technology' (COSIT), die Analyse der Daten hat das norwegische 'Fafo Institute for Applied International Studies' (Fafo-AIS) übernommen. "Der Bericht enthüllt eine tragische Situation", heißt es in einer Stellungnahme des irakischen Planungsministers Barham Salih zu dem Papier, das Bereiche von Gesundheit bis Bildung, aber auch Wohnraum, Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, Beschäftigung, Einkommen und Kriegsopfer abdeckt.

Von Bedeutung ist der Report nicht nur, weil er nach vielen Jahren erstmals Daten auswertet, sondern auch, weil alle Landesteile berücksichtigt sind. Spärlich waren bislang vor allem Informationen über die kurdischen Gebiete im Norden. "Auch, dass diese Studie überhaupt durchgeführt und abgeschlossen wurde, ist eine enorme Leistung", unterstrich UNDP-Sprecher Dan Shepard. "Seit rund 15 Jahren konnte der Iran aus Mangel an verlässlichen Zahlen in UNDP-Berichten nicht mehr berücksichtigt werden."

Voll des Lobes ist auch der stellvertretende UN-Sonderbeauftragte für den Irak, Staffan de Mistura. Der Report helfe nicht nur, die sozioökonomische Lage im Irak besser zu verstehen, er werde sich auch als entscheidende Hilfe für den Entwicklungs- und Wiederaufbauprozess erweisen. Er wird nach Einschätzung der Weltbank und der Vereinten Nationen in den nächsten vier Jahren mit 36 Milliarden US-Dollar zu Buche schlagen.

Kinder im Elend

Nach dem neuen Bericht sind seit der Invasion des Irak unter US-amerikanischer Führung vor zwei Jahren zwischen 18.000 und 29.000 irakische Staatsbürger ums Leben gekommen - zwölf Prozent von ihnen - oder zwischen 2.100 und 3.500 Menschen - waren zum Zeitpunkt ihres Todes keine 18 Jahre alt.

Erschreckend sind auch die weiteren Erkenntnisse über die Lage der Kinder und Jugendlichen, die fast die Hälfte der Bevölkerung von etwa 27,1 Million Menschen stellen. Unterernährt und im Wachstum zurückgeblieben sind nach der im letzten Jahr durchführten Umfrage ein Viertel aller irakischen Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren.

In allen Altersgruppen ist jedes zehnte irakische Kind betroffen, acht Prozent der Kinder besonders hart. In einigen Landesteilen liegt der Anteil der akut Unterernährten allerdings bei 17 Prozent und der der Wachstumsgeschädigten bei 26 Prozent. Auch sind in den letzten 15 Jahren die Säuglings- und Kindersterblichkeitsrate beständig gestiegen. Zurzeit sterben im Irak 32 von 1.000 Kindern, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen.

Wie sehr sich die gesundheitliche Situation der irakischen Kinder durch Krieg und Konflikt verschlechtert hat, zeigt die Tatsache, dass vor dem Golfkrieg von 1991 zwei von zehn Kindern an Durchfallerkrankungen starben, nach dem Krieg aber vier von zehn. "Das Leid der Kinder macht auf einen Schlag klar, dass militärische Auseinandersetzungen weit mehr als die direkten Kriegsopfer betreffen", halten die Autoren des neuen Berichts fest.

Schlecht sind auch die Chancen für alle, die die Schule beenden. So sind 37 Prozent aller männlichen Absolventen einer weiterführenden Schule ohne Arbeit. Auch besuchen nur 83 Prozent aller Jungen und 79 Prozent aller Mädchen die Grundschule.

Strom und Wasserversorgung höchst unzuverlässig

Dramatisch sind ferner die Erkenntnisse über die allgemeinen Lebensbedingungen. Vor allem in ländlichen Regionen steht es außerordentlich schlecht um die öffentliche Versorgung und Infrastruktur. So sind 47 Prozent aller Haushalte in Städten, aber nur drei Prozent aller Haushalte in ländlichen Gegenden an die Kanalisation angeschlossen.

Auch haben im Landesdurchschnitt acht von zehn Irakern Zugang zu fließendem Wasser, in ländlichen Regionen aber nur 43 Prozent aller Haushalte. Probleme gibt es im ganzen Land mit der Verlässlichkeit der Versorgung. Nicht regelmäßig ist sie in einem Drittel aller irakischen Haushalte. Unzuverlässig ist auch die Stromversorgung. So haben zwar 98 Prozent aller Haushalte Strom, aber 78 Prozent klagen über Ausfälle.

Verantwortlich ist die Vernachlässigung des Versorgungsbereiches über Jahre, schwere Schäden an der Infrastruktur durch drei Kriege, Plünderungen und Vandalismus, aber auch finanzielle Engpässe durch die internationalen Sanktionen, die den Irak in den 90er Jahren praktisch von allen Handelbeziehungen ausgeschlossen haben.