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Freitag, 25.08.2017


Integriert, aber nicht akzeptiert!

Bertelsmann Studie sieht Integration von Muslimen auf "gutem Weg",  dennoch jeder fünfte Deutsche will Muslime nicht als Nachbarn haben - Aiman Mazyek: "Islamhasser und Pseudoexperten haben Spuren für das Denken über Muslime hinterlassen "

Die Ergebnisse stimmen optimistisch - mit einer Ausnahme. Der am Donnerstag vorgestellte Religionsmonitor 2017 der Bertelsmann Stiftung räumt mit dem Vorurteil auf, dass muslimische Einwanderer nicht kompatibel seien mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Das Gegenteil ist der Fall: Die Integration der Anhänger des Islams aus den verschiedensten Ländern ist "auf einem guten Weg" - auch wenn es noch Probleme gibt. Spätestens die zweite Generation sei mehrheitlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Die Autoren legen aber auch den Finger in eine schwärende Wunde: Obwohl die Integration insgesamt Fortschritte macht, haben große Teile der Bevölkerung Vorbehalte gegenüber den muslimischen Einwanderern. In Deutschland gibt fast jeder fünfte Bürger an, er wünsche sich keine Muslime als Nachbarn. In Österreich stimmt sogar mehr als eine Viertel der Bevölkerung dieser Aussage zu.

Die Studie der Gütersloher Stiftung basiert auf Ende 2016 durchgeführten repräsentativen Umfragen in fünf europäischen Ländern: Neben Deutschland und Österreich sind das die Schweiz, Großbritannien und Frankreich. Allerdings wurden Flüchtlinge, die nach 2010 nach Europa gekommen sind, nicht einbezogen. Die Politikwissenschaftler Dirk Halm und Martina Sauer vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) werteten die Ergebnisse aus und verglichen die Länderresultate. Die Fragen bezogen sich auf vier Aspekte: die Erwerbsbeteiligung der Zuwanderer, ihr Bildungsniveau samt sprachlicher Kompetenz, ihre sozialen Beziehungen in die Mehrheitsgesellschaft und ihre emotionale Verbundenheit mit dem Aufnahmeland.

Deutschland punktet vor allem bei der Integration auf dem Arbeitsmarkt der bundesweit rund 4,7 Millionen Muslime, die 5,7 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Ihre Teilhabe am Erwerbsleben unterscheide sich nicht vom Bundesschnitt: Rund 60 Prozent arbeiteten in Voll- und 20 Prozent in Teilzeit. Die Arbeitslosenquote gleiche sich ebenfalls an - dank Arbeitskräftebedarf, kommunaler Job-Vermittlung und Sprachkursen. Ganz anders in Frankreich: Obwohl Muslime dort besser gebildet sind, ist dort ihr Anteil an den Arbeitslosen mit 14 Prozent fast doppelt so hoch wie der von Nichtmuslimen.Mit Blick auf die Schulbildung sehen die Autoren Frankreich vor Deutschland. Das liege vor allem daran, dass Schüler im Nachbarland länger zusammen lernen und so Bildungsdefizite leichter ausgeglichen werden. Jedenfalls beenden in Deutschland 36 Prozent der muslimischen Zuwanderer ihre Schulkarriere vor Vollendung des 17. Lebensjahres. In Frankreich sind es nur 11 Prozent, weil dort länger gelernt wird.

Mit Blick auf die Sprache hält der Religionsmonitor fest, dass rund drei Viertel der in Deutschland geborenen Muslime mit Deutsch als erster Sprache aufwachsen - teils gemeinsam mit der Sprache ihres Herkunftlandes. Rund ein Fünftel aller eingewanderten Muslime bezeichnen inzwischen Deutsch als ihre erste Sprache. Für ein Vorurteil halten es die Wissenschaftler, dass Muslime sich abschotten und Kontakte zu Nichtmuslimen meiden. Die überwiegende Mehrheit der Muslime in den untersuchten Ländern gab an, in ihrer Freizeit (sehr) häufig Kontakte zu Einheimischen zu haben. Auch bekundeten die Befragten eine große Verbundenheit zur neuen Heimat - allerdings auch mit den Ländern, aus denen sie selbst, ihre Eltern oder Großeltern stammen.

Dennoch gilt es nach wie vor, Probleme zu bewältigen. Besonders schwer haben es nach der Befragung "fromme Muslime", die ihre Religion im Alltag leben wollen. Wer ein Kopftuch tragen oder seine Gebetspflicht fünfmal am Tag erfüllen will, kommt in Konflikt mit der Berufswelt - gerade auch in Deutschland. Praktizierende Muslime seien daher hier oft unter ihrer Qualifikation beschäftigt. Dass es auch anders geht, zeige Großbritannien, wo Muslime wie Christen als Religionsgemeinschaft anerkannt seien und selbst Polizistinnen ihr Kopftuch zur Uniform tragen. Von daher bekunden die Autoren, dass bei der rechtlichen Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften in Deutschland Nachholbedarf bestehe.

Vorstandsvorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) Aiman Mazyek sagte zum Ergebnis der Studie: "Eine Soldateska von Islamhassern und Pseudoexperten singt seit Jahren im Chor die Mär von der Integrationsunfähigkeit des Islam. Natürlich hat das Folgen für das Denken über Muslime“

Auch Sprecher für Migrations- und Religionspolitik Volker Beck äußerte sich mit klaren Worten:
"Statt Scheingefechte über ein Sondergesetz für Muslime oder das Verbot der Burka zu führen, muss sich die Bundesregierung endlich um die religionspolitische Integration des Islams kümmern. Die Deutsche Islam Konferenz, die zu diesem Zweck einberufen worden war, hat sich leider in Einzelthemen verloren –so wichtig diese auch sein mögen. Statt immer wieder neu das Klagelied über die angebliche Integrationsunfähigkeit des Islams anzustimmen, muss die Diskriminierung von Muslimen und insbesondere Muslimas mit Kopftuch am Arbeitsmarkt endlich konsequent beseitigt werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung aus religiösen Gründen – es muss nur durchgesetzt werden.“