Newsnational Montag, 22.12.2014 |  Drucken

"Bewegung ist brandgefährlich"

Nach der deutlichen Kritik der Bundeskanzlerin verurteilen auch der Zentralrat der Juden und die Kirchen den islamfeindlichen Kurs der Pegida-Macher - ZMD: Politik muss Ängste in Bevölkerung und Islamfeindlichkeit erst nehmen

Die Kritik von Christen, Muslimen und Juden an der Pegida-Bewegung («Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes») hält an. Zugleich mahnen Vertreter der großen Religionen in Deutschland aber auch, die Sorgen vieler Menschen sehr ernst zu nehmen.

Angesichts der Verbalangriffe auf den Islam durch die islamfeindliche Pegida-Bewegung nimmt nun der Zentralrat der Juden die Muslime in Deutschland in Schutz. Der neue Zentralratsvorsitzende Josef Schustersagte im Interview der "Welt", die Angst vor islamistischem Terror werde "instrumentalisiert", um eine ganze Religion zu verunglimpfen. "Das ist absolut inakzeptabel", erklärte Schuster.


Man müsse doch die Relationen im Blick behalten, fordert Schuster. "Sicherlich ist der islamistische Extremismus ebenso ernst zu nehmen wie andere extremistische Strömungen. Aber die Sicherheitsbehörden sind ja längst alarmiert", stellte der oberste Repräsentant der Juden in Deutschland fest. Von wenigen Islamisten rückzuschließen, Deutschland drohe ein Staat mit dem Islam als Staatsreligion zu werden, sei "so absurd, als wenn wir aus der Existenz von Rechtsextremisten schlössen, morgen werde die NS-Diktatur wieder errichtet". Zugleich zeigte sich Schuster tief besorgt über die Demonstrationen der sogenannten Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes.

Schuster warnte: "Wir dürfen die Pegida-Leute auf keinen Fall unterschätzen. Die Bewegung ist brandgefährlich. Hier mischen sich Neonazis, Parteien vom ganz rechten Rand und Bürger, die meinen, ihren Rassismus und Ausländerhass endlich frei ausleben zu dürfen."

Nach zum Teil heftigen Protesten verteidigte der Bamberger katholische Erzbischof Ludwig Schick am Sonntag seinen Appell gegen Pegida: «Ein Christ darf nicht bei etwas mitmachen, das ganz oder teilweise nicht mit christlichen Grundsätzen und den Werten des Evangeliums übereinstimmt», schrieb Schick auf der Facebook-Seite des Erzbistums.

«Auch wer mit redlichen Motiven an einer Pegida-Demonstration teilnimmt, unterstützt damit - möglicherweise ungewollt - Fremdenphobie und das Verbreiten von irrationalen Ängsten gegenüber anderen Kulturen und Religionen», betonte Schick. Christen dürfen bei Pegida nicht mitmachen«, hatte er am Donnerstag in einer Predigt gesagt. Dafür hatte er zum Teil sehr heftige Kritik geerntet, etwa in den sozialen Netzwerken.

Der neue Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm, kritisierte die Pegida-Bewegung sehr scharf im Interview mit der »tageszeitung« (taz, Montag): »Wenn die sogenannte christliche Abendlandkultur benutzt wird, um ausländerfeindliche, rassistische und menschenverachtende Parolen zu unterfüttern, ist das das genaue Gegenteil von Christentum.«

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte am Wochenende im »rbb-Inforadio«, er habe kein Verständnis für anti-muslimische Parolen, man müsse aber mit den Ängsten der Menschen umgehen. Der neue Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, warnte in der Tageszeitung »Die Welt« davor, die Bewegung »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« zu unterschätzen. Sie sei »brandgefährlich«.

Nach einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag des Magazins »Focus« würden 85 Prozent der Bundesbürger nicht an Demonstrationen für Pegida-Ziele teilnehmen. Dabei war die Ablehnung in der Altersgruppe der über 65-Jährigen mit 92 Prozent am höchsten. Die höchste Zustimmung für die Pegida fand sich hingegen bei den 14- bis 29-Jährigen mit 14 Prozent. Mit Blick auf die Parteizugehörigkeit gab mehr als die Hälfte der AfD-Anhänger an, sicher oder sehr wahrscheinlich an Pegida-Kundgebungen teilzunehmen. Für Anhänger der Volksparteien kommt dies laut Umfrage am wenigsten infrage.

Der evangelische Landesbischof aus Hannover Ralf Meister warnte vor einer »Polarisierung der Gesellschaft«. In der »Neuen Osnabrücker Zeitung« und im NDR nannte er es einen Fehler, die Demonstrationen grundsätzlich unter den Vorwurf des Rechtsradikalismus zu stellen. Er teile kein einziges Ziel der Pegida-Bewegung. Doch hilfreicher als eine Ausgrenzung sei es, mit positiven Beispielen eine plurale
Gesellschaft vorzuleben.

Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, forderte Christen zu einem »Nein« gegenüber Pegida auf. Im »Deutschlandradio Kultur« sagte er, Pegida verletze christliche Grundsätze.




Wollen Sie einen
Kommentar oder Artikel dazu schreiben?
Unterstützen
Sie islam.de
Diesen Artikel bookmarken:

Twitter Facebook MySpace deli.cio.us Digg Folkd Google Bookmarks
Linkarena Mister Wong Newsvine reddit StumbleUpon Windows Live Yahoo! Bookmarks Yigg
Diesen Artikel weiterempfehlen:

Anzeige

Hintergrund/Debatte

Film-Besprechung: "In Liebe, eure Hilde" - Dresens neuer Film erzählt eine tragische Geschichte aus der NS-Zeit auf der Berlinale 2024
...mehr

ZMD-Landesverband Rheinland-Pfalz in Staatskanzlei mit anderen muslimischen Religionsgemeinschaften: Kein Generalverdacht und: „Jüdisches und muslimisches Leben sind ein integraler Bestandteile des Landes"
...mehr

Daniel Barenboim mit DAG-Friedrich II von Hohenstaufen-Preis geehrt
...mehr

Buchkritik: "Faschismus" von Paul Mason – Von Aiman A. Mazyek
...mehr

Abraham-Familien-Haus in Abu Dhabi hat sowohl aus islamischer als auch aus interreligiöser Sicht aus mehreren Gründen einen hohen Wert - Von Aiman Mazyek
...mehr

Alle Debattenbeiträge...

Die Pilgerfahrt

Die Pilgerfahrt (Hadj) -  exklusive Zusammenstellung Dr. Nadeem Elyas

88 Seiten mit Bildern, Hadithen, Quran Zitaten und Erläuterungen

Termine

Islamische Feiertage
Islamische Feiertage 2019 - 2027

Tv-Tipps
aktuelle Tipps zum TV-Programm

Gebetszeiten
Die Gebetszeiten zu Ihrer Stadt im Jahresplan

Der Koran – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben

Marwa El-Sherbini: 1977 bis 2009