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Samstag, 13.07.2013

Westerwelle fordert die Freilassung Mursis

UNO und USA besorgt über politische Verhaftungen durch die Armee - Mursi-Anhänger auf der Straße

Während in Ägypten erneut hundertausende Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi Kundgebungen abhielten, wächst in Europa und den USA die Sorge um das Land. Berlin und Washington fürchten, die neuen Herrscher am Nil könnten eine harte Siegerjustiz praktizieren und damit alle Aussichten auf politische Aussöhnung zerstören. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte gestern die provisorische Führung in Kairo auf, Mursi freizulassen sowie den Anschein von "selektiver Justiz" und "politischer Verfolgung" zu vermeiden. Zuvor hatte der deutsche Außenminister bereits die Vorgänge als  ein schwerer Rückschlag für die Demokratie in Ägypten" bezeichnet.

Ähnlich äußerten sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die amerikanische Regierung. Er sei tief besorgt wegen der fortgesetzten Festnahmen, sagte Ban. Die US-Regierung appellierte an die ägyptische Armee, die "willkürlichen Verhaftungen" von Muslimbrüdern zu stoppen. Die westlichen Regierungen treibt vor allem die Sorge um, ein Teil der Bruderschaft könne in den Untergrund abwandern.

Unterdessen demonstrierten am gestrigen Freitag bis in die Nacht weitestgehend friedlich Mursi-Anhänger für seine Freilassung und die Wiedereisetzung des am Nil bisher einzig demokratisch Präsidenten.

Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt

Für Journalisten, die aus Kairo berichten, sind die Zeiten nach dem Machtwechsel härter geworden. Sie werden öfter Opfer von Übergriffen von Sicherheitsorganen. Jüngster Vorfall: Am Montag wurde der deutsche Fernsehreporter Dirk Emmerich, der für den deutschen Nachrichtensender n-tv aus Kairo berichtet, sieben Stunden lang von Armee und Polizei festgehalten. Grund für die Festsetzung: "Wir haben gesehen, was du auf Twitter machst." So schilderte es Emmerich, der aus seinem Gewahrsam heraus mit Tweets eine Art Liveticker der Vorgänge schrieb, gegenüber SPIEGEL ONLINE. Der Muslimbruderschaft nahen Fernsehsender wurden erst ganz geschlossen

Der Grund für den Zorn der Staatsmacht ist die kritische Berichterstattung westlicher Medien über den Militärputsch am Nil. Denn geht es nach dem Wunsch der neuen Herrscher in Kairo, wird fortan, bitteschön, nur noch eine Version der Ereignisse erzählt: die, in der das glorreiche Militär einem um Schutz flehenden Volk hilfreich zur Seite eilt. Berichterstattung, in der versucht wird, der offiziellen Lesart der Geschehnisse mit Recherche beizukommen, ist unerwünscht.

Bei den allabendlichen Demonstrationen nimmt die Zahl der Anti-CNN- und Anti-BBC-Plakate zu. Der Ton gegenüber westlichen Journalisten wird auf dem Tahrir-Platz rauer. Wo sich noch vor wenigen Wochen redefreudige Menschentrauben um Journalisten mit Notizblocks drängten, werden Reporter dort inzwischen auch gern mit "CNN, go home" begrüßt.

Besonders schwer hat es derzeit der arabische Sender al-Dschasira. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Polizei und der Armee zu dem Blutbad der Armee gegen Anhänger der Muslimbruderschaft am Montagmorgen kam es schon vor Beginn zum Eklat. Ägyptische Journalisten schrien, sie wollten das Team des katarischen Senders des Saales verwiesen sehen. Die Sicherheitskräfte kamen dem nach, denn al-Dschasira gilt als Sympathisant der Muslimbrüder. Schon am Samstag hatte die Staatsanwaltschaft deshalb einen Haftbefehl gegen den Leiter des Kairoer Büros des Senders erlassen. Begründung: aufrührerische Berichterstattung.

Da wirkt es wie Hohn, wenn man die Worte eines Spiegel-Essays des Deutsch-Ägypters Hamed Abdel-Samad liesst: „Man kann also die Intervention der Armee auch als Verteidigung nicht nur der Freiheit der Ägypter, sondern auch unserer Freiheit hier im Westen verstehen“.