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Donnerstag, 25.10.2012

Islam ist Barmherzigkeit

Zu einem Buch, das uns den Islam ganz vertraut sein lässt - Von Rupert Neudeck

Das Buch ist eine Sensation, es sollte überall diskutiert und besprochen werden. Es ist das erste Mal, dass ein islamischer Theologe und dann noch in einer nicht-fachlichen Theologensemantik auf die Fragen eingeht, die in Deutschland bei gutwilligen Bürgern immer wieder zu Sorgen, ja manchmal zu Ängsten führen gegenüber dem äußeren Erscheinungsbild des Islam. Man muss das ernst nehmen. Und der, der diese Fragen unausgesprochen bisher am gelungensten ernst genommen hat, ist der Theologe Mouhanad Khorchide. Sein Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ ist nicht nur ein Traktat, sondern er nimmt über seine eigene Lebensgeschichte den deutschen Leser auch an die Hand und zeigt ihm, was der Islam alles nicht ist, und was er werden und sein kann, nämlich eine tolerante Gott und die Menschen liebende und fördernde Religion. “Islam ist Barmherzigkeit“.  

Mit einem katholischen Bischof würde sich Khorchide besonders gut verstehen: Mit dem Bischof Martin Happe in Nouakchott/Mauretanien. Er hat in seinem letzten Weihnachtsbrief die Geschichte erzählt, die er vor Jahren bei einem Freund in Mali erlebt hatte. Mit dem hatte er seit Jahren freundschaftliche Beziehungen, so dass er oft eingeladen wurde. Dann begleitete ihn der muslimische Freund, der bei der Gartentür sagt; er werde für den Bischof beten. Und es sei schade, dass er in der Hölle schmoren müsse, weil er ein so netter Kerl sei. Daraufhin sagte der Bischof: Jetzt müssten sie noch mal ins Haus gehen, das könne er nicht so stehenlassen.

Im Koran wird die Eigenschaft Gottes, die Barmherzigkeit, am meisten erwähnt

Und dann fragt er seinen muslimischen Freund: Ist es nicht so, dass der Koran Gott an 85 Stellen als den Allbarmherzigen und Allerbarmer zitiere? Ja. Und ist es nicht so, dass die Bibel ähnlich den christlichen Gott als den großen Barmherzigen bezeichne? Also, wie kann denn der, der von beiden Religionen gleichstimmig als der größte Barmherzige bezeichnet wird, jemanden wie ihn, den Bischof der Katholischen Kirche in Mauretanien in der Hölle schmoren lassen wollen?  

Auch Khorchide hat in der Schule das so gehört. Und er fragte seinen Religionslehrer, warum denn? „Weil die Christen die falsche Religion, oder noch schlimmer, gar keine Religion haben. Dadurch, dass nicht der Islam die Religion sei, verdienen sie die Hölle.“ Außerdem seien sie als Nichtmuslime schlechte Menschen, sie seien ungerecht, kennen keine Moral und sind verdorben. Sein Vater aber war schon von anderem Kaliber. Er war von den Freitagspredigten so frustriert, da die Imame soziale Probleme nie ansprachen. Sie mieden jede Kritik an bestehenden sozialen Diensten. Als einmal der Imam sich verspätet habe, wurde sein Vater gebeten, das Gebet zu leiten. Da wurde er von einem Mann unterbrochen, der ihn beiseite schob: „Du bist nicht als Imam geeignet, denn du trägst eine Hose und die bedeckt auch noch die Knöchel.“Khorchide hatte mehrmals erlebt, dass man als Vorbeter den auswählte, „der den längeren Bart hatte“.

„Du bist nicht als Imam geeignet, denn du trägst eine Hose und die bedeckt auch noch die Knöchel.“

Auch Khorchide ist ein aus Palästina vertriebener Palästinenser. Seine Eltern kamen nach der Besatzung Palästinas 1948 in den Libanon. Die Eltern sind in Beirut aufgewachsen. Sein Vater besuchte dort eine christliche Schule.
Das Buch ist sehr reich. Es ist gleichermaßen auch dem interreligiösen ökumenischen Dialog gewidmet. Dabei ist es notwendig, die anderen, die Juden, die Christen in ihrer eigenen Logik zu verstehen und „ihn nicht durch eine Fremdzuschreibung zu stigmatisieren“.

Spricht der Koran von Juden, Christen und Angehörigen anderer Religionen, verwendet er Selbstzuschreibungen des 7. Jahrhunderts auf der Arabischen Halbinsel. Die konfessionelle Vielfalt versteht der Koran als gottgewollt. „Jedem von euch geben wir einen Weg. Wenn Gott gewollt hätte, hätte er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Doch er will euch in dem prüfen, was er euch gegeben hat. Wetteifert nun nach den guten Dingen“.

Khorchide besteht darauf: der Islam sei nicht der einzige Weg zur Glückseligkeit. In der Sure 2,62 heißt es: Diejenigen, die glauben und diejenigen, die dem Judentum angehören und die Christen und die Sabäer, alle die an Gott und den Jüngsten Tag glauben und Rechtschaffenes tun, denen steht bei ihrem Herrn ihr Lohn zu. Und sie brauchen am Tage des Gerichts keine Angst zu haben, und sie werden nach der Abrechnung am jüngsten Tag nicht traurig sein.

Und der Theologe und Leiter des Zentrums für islamische Theologie in Münster besteht darauf: „Es gibt keinen Zwang in der Religion“. Und, Gott werde es euch nie verbieten, „gegen die gütig und gerecht zu sein, die euch nicht wegen eures Glaubens bekämpft oder euch aus euren Häusern vertrieben haben. GOTT liebt die gerecht Handelnden.“

Mouhanad Khorchide: Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion.
Herder Verlag Freiburg 2012  220 Seiten