Leserbriefe Montag, 04.02.2002 |  Drucken

Leserbriefe



Elke schrieb:



Sehr geehrte Frau Odd,

Selten hat mich ein Leserbrief so peinlich berührt wie Ihrer Frau Odd. Von einer Frau mit Ihrem Bildungsniveau, wie Sie es beschreiben, hätte ich ehrlich gesagt mehr erwartet.
Aus Ihrem Brief lese ich allerdings nur Haß und Arroganz gegenüber allem was anders ist als bei uns.
Ich möchte hierzu eigentlich nur sagen, daß ich leider erst seit 20 Jahren regelmäßig in arabische Länder (Algerien, Tunesien und Syrien) reise. Seit mehr als 20 Jahren bin ich mit einem Algerier verheiratet und habe selbst 4 Jahre in Algerien in einer muslimischen Familie gelebt.
Allerdings habe ich versucht, diese Menschen zu verstehen, zu hinterfragen und zu beobachten warum dieses oder jenes anders ist als bei uns. Dabei habe ich allerdings auch meine eigenen Verhaltensweisen und die meiner Landsleute kritisch hinterfragt, zugegeben dies war nicht immer einfach, zuweilen sogar ein schmerzlicher Prozeß, da man irgendwann entdeckt, daß bei uns auch sehr vieles im Argen liegt.
Ja es stimmt, daß viele Männer in arabischen Länder in Cafe's sitzen anstatt zu arbeiten. Warum aber nur? Wären Sie mit offenen Augen durch Tunesien gegangen, anstatt den Menschen dort unsere Lebensansichten aufzwingen zu wollen, dann hätten Sie erfahren, daß die Jugendarbeitslosigkeit in diesen Länder bei bis zu über 40% liegt. Sie hätten erfahren, daß die Ursachen für die Unterentwicklung in diesen Ländern auch im Westen liegen. Algerien zum Beispiel, hat seine Schulden in der westlichen Welt bereits dreifach bezahlt, aber man knebelt dieses Land bis heute noch mit hohen Zinsen, so daß sie von dieser Last wohl niemals befreit werden. Als Algerien begann sein Land zu industrialisieren, hat man komplette Industrieanlagen vor allem aus Deutschland importiert. In Deutschland wußte man, daß diese niemals funktionieren können, aber man verkaufte sie trotzdem, da dahinter ein riesiger Dollarsegen stand.
Sie hätten bemerken müssen, daß die meisten jungen Leute dort nach einem hohen Bildungsabschluß streben, in der Hoffnung auf bessere Chancen.
Sie hätten auch die Herzlichkeit und Offenherzigkeit der Menschen in Tunesien bemerken können, wenn Sie nur gewollt hätten.
Sie sprechen vom Tierschutz. In den Haushalten der Familien wo ich zu Gast bzw. zuhause war, lebten Katzen und Vögel, auf dem Lande auch größere Tiere. Ich habe nicht gesehen, daß diese Tiere schlecht behandelt wurden.
Was ist aber mit den Tiertransporten und Massentierhaltungen in unserer westlichen Welt? Es stimmt auch, daß das Tier in diesen Ländern nicht den gleichen Stellenwert besitzt wie der Mensch. Auch darüber lohnt es sich nachzudenken. Bei uns ist es doch oft so, daß ein Hund willkommener ist als ein Kind oder ein alter Mensch. Wo ist das bitteschön zivilisiert??
Warum gibt es bei uns so viele Altersheime, Pflegeheime und Frauenhäuser?? Bei aller Liebe zur Individualität sollten wir manchmal nachdenken, ob wir nicht doch sehr egoistisch geworden sind. Kinder begrenzen unsere persönliche Entfaltung, alte Menschen belasten uns nur und Frauenhäuser - wahrscheinlich gibt es also doch mehr als einen prügelnden deutschen Ehemann.
In muslimischen Ländern habe ich erfahren, mit welcher Liebe Kinder von allen Menschen angenommen werden und nicht nur, wenn sie etwas besonderes leisten oder besonders begabt sind. Nein, einfach weil sie Kinder sind.
Ich habe auch dort erfahren, mit welchem Respekt die Kinder ihren Eltern, Großeltern und Nachbarn in aller Regel begegnen. Alte Menschen dürfen in diesen Ländern im Kreis ihrer Familie in Würde alt werden, niemand würde sie als Last empfinden. Sind das keine positiven Werte?
Wenn Sie, wie Sie behaupten, die arabische Sprache beherrschen, dann wüßten Sie auch, daß der Koran die Männer niemals auffordert, ihre Frauen als Sklaven zu behandeln und zu schlagen. Wahrscheinlich, haben Sie sich lediglich mit einer der alten und billigen Übersetzung begnügen müssen und selbst das nur sehr oberflächlich. Es ist inzwischen allgemein bekannt, daß selbst Araber den Koran nicht einach lesen können und dann auch noch verstehen. Man benötigt dazu vielmehr Wissen in Geschichte, der alten Sprache usw. In den Hadithen gibt es zahlreiche Aussagen des Propheten über den Umgang mit Frauen. Einer der bekanntesten Hadithe sagt aus, daß derjenige unter den Gläubigen der Beste ist, der am besten zu seinen Frauen ist. Weiterhin steht im Koran, (4:19)"... verkehrt in Billigkeit mit ihen, und so ihr Abscheut gegen sie empfindet, empfindet ihr vielleicht Abscheu gegen etwas, in das Allah viel Gutes gelegt hat." Das sollte wohl genügen um aufzuzeigen, daß der Islam nicht die Ursache für irgendwelche Mißstände ist. Ebenso fordert der Islam den Gläubigen immer wieder auf zu lernen und nach Wissen zu streben. Sollte es in der Praxis andere Beispiele geben, so sind die Ursachen dafür auf jeden Fall an anderer Stelle zu suchen und nicht im Islam.

Mit freundlichen Grüßen
Elke


Unterstützen
Sie islam.de
Diesen Artikel bookmarken:

Twitter Facebook MySpace deli.cio.us Digg Folkd Google Bookmarks
Linkarena Mister Wong Newsvine reddit StumbleUpon Windows Live Yahoo! Bookmarks Yigg
Diesen Artikel weiterempfehlen:

Anzeige

Hintergrund/Debatte

Die Große Moschee in Duschanbe (Tadschikistan) ist das größte Gotteshaus in Zentralasien
...mehr

Film-Besprechung: "In Liebe, eure Hilde" - Dresens neuer Film erzählt eine tragische Geschichte aus der NS-Zeit auf der Berlinale 2024
...mehr

ZMD-Landesverband Rheinland-Pfalz in Staatskanzlei mit anderen muslimischen Religionsgemeinschaften: Kein Generalverdacht und: „Jüdisches und muslimisches Leben sind ein integraler Bestandteile des Landes"
...mehr

Daniel Barenboim mit DAG-Friedrich II von Hohenstaufen-Preis geehrt
...mehr

Buchkritik: "Faschismus" von Paul Mason – Von Aiman A. Mazyek
...mehr

Alle Debattenbeiträge...

Die Pilgerfahrt

Die Pilgerfahrt (Hadj) -  exklusive Zusammenstellung Dr. Nadeem Elyas

88 Seiten mit Bildern, Hadithen, Quran Zitaten und Erläuterungen

Termine

Islamische Feiertage
Islamische Feiertage 2019 - 2027

Tv-Tipps
aktuelle Tipps zum TV-Programm

Gebetszeiten
Die Gebetszeiten zu Ihrer Stadt im Jahresplan

Der Koran – 1400 Jahre, aktuell und mitten im Leben

Marwa El-Sherbini: 1977 bis 2009