Leserbriefe Sonntag, 12.08.2001 |  Drucken

Leserbriefe



Abdullah Frank Bubenheim schrieb:



Bi-smi ‘Llâhi ‘r-Rah:mâni ‘r-Rah:îm

As-salâmu ´alaikum wa-rah:matu Llâhi wa-barakâtuh

Wie es in der Pressemitteilung heißt, hat der Vorstand der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) die Verhaftung von Christen durch die Taliban in Afghanistan wegen des Vorwurfs missionarischer Tätigkeiten scharf verurteilt.
Weiterhin heißt es dort, der Islam „gewährleiste die unbehelligte Religionsausübung, zu der selbstverständlich auch die Verkündigung gehört“. Soweit mir bekannt, hat keiner der anerkannten islamischen Religionsgelehrten die Meinung geäußert, daß es zulässig ist, christliche Mission in der massiven Form, wie sie heute in den meisten Ländern der Dritten Welt üblich ist (Beinflussung von Minderjährigen mit unlauteren Mitteln u.dergl.), unter Muslimen ausüben zu lassen.
Richtig ist, daß es den Christen – und Angehörigen anderer Schriftreligionen – im islamischen Staat gestattet ist, ihre Meinung frei zu äußern und mit anderen über Fragen der Religion und Weltanschauung frei zu sprechen – soweit dabei nicht die von ihnen verehrten Personen beleidigt und die von ihnen geachteten Werte herabgesetzt werden. Weiterhin ist es den Christen gestattet, ihren Glauben zu pflegen und ihn unter den Angehörigen ihrer eigenen Glaubensgemeinschaft zu verkündigen.
Wozu bei Fehlen der Autorität eines islamischen Staates die uneingeschränkte christliche Missionierung in einem überwiegend muslimischen Land geführt hat, können wir am Beispiel Indonesiens sehen, wo Christen – anscheinend durch das Beispiel der Loslösung des überwiegend von Christen bewohnten Ost-Timor vom muslimisch beherrschten Indonesien angespornt – Massaker an Muslimen verübten, und Muslime dann ihrerseits mit Massakern Rache an Christen geübt haben, und ein Ende des Konflikts und Blutvergießens in der Zukunft noch gar nicht abzusehen ist. Der islamische Staat hat das Recht, ja die Pflicht, christliche (und andere) Mission unter Muslimen in der o.g. Form auf seinem Gebiet zu unterbinden und dazu die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
Wer also das Vorgehen der Taliban in diesem Fall verurteilt, dann wünscht damit indirekt seinen afghanischen Glaubenbrüdern für die Zukunft Zustände, wie sie in Indonesien, im Sudan und anderen muslimischen Ländern eingetreten sind! Daher halte ich das Vorgehen der Taliban vielmehr als eine durch den Islam zu rechtfertigende Praxis, solange sie dabei die islamischen Gesetze einhalten und niemandem ein falsches Geständnis abpressen oder jemanden zu Unrecht verurteilen oder inhaftieren.

Weiterhin ist es meines Erachtens nicht angebracht, daß islamische Organisationen einige unserer Glaubensbrüder (in diesem Fall die Taliban), die darum bemüht sind, die islamische Scharî´a anzuwenden und ihr Geltung zu verschaffen in einer Zeit, wo die meisten anderen sich dem Druck der Nichtmuslime beugen, und für dieses ihr unislamisches und verräterisches Handeln abertausend Ausreden und Vorwände vorbringen, für ein Vorgehen angreifen und verurteilen, das islamisch durchaus nicht ungerechtfertigt ist.

Wa-s-salâmu ´alaikum

Abdullah Frank Bubenheim

Amman, den 21. Djumâdâ l-ûlâ 1422 d.H., entspr. den 10.08.2001


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