Newsnational Donnerstag, 15.07.2004 |  Drucken

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Arabische Welt Ehrengast auf Frankfurter Buchmesse. Quateen, Botschafter der Arabischen Liga: "Wir werden uns sehr offen prästentieren"

Salem Quateen, Botschafter der Arabischen Liga über die Präsentation bei der Buchmesse, Kulturaustausch mit Arabischen Ländern und Meinungsfreiheit.

(Auszug mit dem aus Orient-X-Press*) Orient Express: Die bevorstehende Buchmesse in Frankfurt wird das größte arabische Literatur- und Kulturereignis in Deutschland seit Jahren. Welches Anliegen verfolgt die Arabische Liga als Organisator dieses Auftritts?

Quateen: Um die große Bedeutung dieses Ereignisses zu verstehen, müssen wir uns die Geschichte der Beziehungen zwischen der Arabischen Welt und dem Westen anschauen. Diese Beziehungen haben viele Höhen und Tiefen gesehen. Die Schlagworte der letzten Jahrzehnte waren Imperialismus, Öl, die Palästina-frage, sowie der 11. September und seine Folgen. Mit dem Barcelona Prozeß sind Europa und die Arabische Welt in eine neue Phase der Beziehungen getreten, mit dem Ziel eines besseren gegenseitigen Verständnisses und einer intensiveren Zusammenarbeit. Der Auftritt der Arabischen Liga auf der Frankfurter Buchmesse entspricht dieser Zielsetzung, die kulturellen Beziehungen zwischen Europa und der Arabischen Welt zu pflegen und den Weg für vielversprechende Projekte in der Zukunft zu bereiten. Die Teilnahme ist von besonderer Bedeutung, weil es in letzter Zeit eine Reihe von Missverständnissen und Vorurteilen gegeben hat. In Frankfurt hat die Arabische Welt die große Chance, sich der ganzen Welt vorzustellen. Wir müssen mehr Informationen über uns geben, um das Unwissen und die schlechten Absichten einiger Medien zu bekämpfen, die versuchen, ein schlechtes Bild auf die arabische Welt zu werfen. Wir werden uns sehr offen präsentieren. Wir werden sagen: So sind wir! Wir sind gekommen und strecken unsere Hand aus für mehr Verständigung, Freundschaft und Zusammenarbeit.


OXP: Auf der Buchmesse werden zahlreiche Veranstaltungen stattfinden. Welches sind Ihrer Meinung nach die Highlights?

SQ: Highlights wird es in allen Programmbereichen geben. Es wird Buchvorstellungen geben, die sich mit aktuellen und zentralen Themen der arabischen Welt beschäftigen, so z. B. mit der Lage der Frauen, mit den Menschenrechten, mit Terrorismus und Palästina. Als ein kultureller Höhepunkt tritt das Caracalla-Tanztheater aus dem Libanon auf. Auf der Messe und in verschiedenen Frankfurter Kultureinrichtungen werden u.a. Ausstellungen über Wissenschaft und Technik im Islam oder zur zeitgenössischen arabischen Fotografie gezeigt. Das Deutsche Filmmuseum wird bereits ab September eine Reihe mit 62 arabischen Filmen zeigen. Im Museum der Weltkulturen finden arabische Musikdarbietungen statt, im Literaturhaus gibt es täglich Lesungen arabischer Autoren.
Wir möchten in Frankfurt als eine kulturelle Einheit mit vielen Gesichtern auftreten, die sich - fest verwurzelt in ihrer Geschichte - den Herausforderungen der heutigen Globalisierung stellt. Wir möchten uns selbst und mit anderen darüber austauschen, was wir von der Zukunft zu erwarten haben und was die Zukunft von uns erwartet. Kein Autor, kein Buch oder Gedanke wird von der Teilnahme ausgeschlossen. Wir sind froh, uns auf einem solch international bedeutsamen Ereignis präsentieren zu können. Mit dem Untergang der Sowjetunion und dem Entstehen einer neuen Weltordnung ist es an der Zeit, eine neue Diplomatie der Kultur zu beginnen. Wir müssen uns gegenseitig verstehen, um in Frieden und Harmonie miteinander leben zu können.


OXP: Können Sie einige Höhepunkte genauer beschreiben?

SQ: Wir werden 150 Autoren einladen. Dann werden auch weitere Veranstaltungen aus den Bereichen Kunst, Geschichte und Architektur präsentiert.


QXP: Eine Hauptaufgabe der Buchmesse besteht darin, neue Bücher und Autoren vorzustellen. Welche kürzlich veröffentlichten arabischen Bücher können Sie dem deutschen Publikum empfehlen? Gibt es deutsche Bücher, die Sie besonders fasziniert haben?

SQ: Ich möchte Ihnen einen kurzen Einblick in die gegenwärtige Situation der Arabischen Welt geben. Wir sind völlig beschäftigt mit dem Palästinaproblem, mit den Ereignissen im Irak und mit Fragen der Reformen in der Arabischen Welt, sowie mit den Themen Menschenrechte und Terrorismus. Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase. Auf der Messe werden wir uns mit diesen zentralen Themen beschäftigen. Darum wird es sehr interessant sein, an Lesungen oder Diskussionen arabischer Autoren teilzunehmen, weil sie die beste Innenansicht der Arabischen Welt von heute bieten.


QXP: Macht es überhaupt Sinn, soviel Geld für den Auftritt in Frankfurt auszugeben anstatt z.B. Bildung und Kultur in den arabischen Ländern zu fördern?

SQ: Das Geld, daß wir für die Buchmesse ausgeben, wird nicht den Etat für die Entwicklung und Reform des arabischen Bildungssystem beeinflussen. Auch wenn wir momentan vor der großen Herausforderung stehen, unsere Ausbildungssysteme zu modernisieren, sollten wir unsere Verpflichtungen in anderen entscheidenden Gebieten nicht vernachlässigen. Die Frankfurter Buchmesse ist wichtig, weil sie uns ein globales Forum bietet, um uns anderen Kulturen vorzustellen und uns mit ihnen auszutauschen, um so ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erreichen. Wir leben alle in einem globalen Dorf und sollten darum immer bemüht sein, zum Nutzen aller zusammenzuarbeiten.


OXP: Die Buchmesse dauert nur einige Tage. Was wird oder soll nach diesem Kulturereignis bleiben?

SQ: Zunächst haben wir als Ehrengast der Buchmesse die Gelegenheit, über ein Jahr lang alle möglichen Einrichtungen und Hilfestellungen für unsere Präsentation in Frankfurt zu nutzen. Wir sind bestrebt, diese Möglichkeiten zu nutzen. Es gibt auch viele Pläne, bestimmte Aktivitäten fortzusetzen. Uns ist bewußt, daß der Übersetzungstätigkeit große Bedeutung zukommt. Leider gibt es zu wenige Übersetzungen ins Arabische, was einer der Hauptgründe für unzureichende Entwicklung und den geringen Fortschritt der Arabischen Welt ist. Die Buchmesse sollte einen Impuls geben, um Zentren für Übersetzungen - vom Arabischen ins Deutsche und umgekehrt - zu gründen.


OXP: Wie steht es um Ideen, ein arabisches Kulturinstitut in Deutschland zu gründen, ähnlich dem Institut du Monde Arabe in Paris?

SQ: Ich bin davon überzeugt, daß Deutschland und besonders Berlin der kulturell wichtigste Ort in Europa ist, der noch dazu in der Mitte des Kontinents liegt. Die Arabische Liga hat den Vorschlag gemacht, hier ein Medienzentrum zu eröffnen. Dieser Vorschlag liegt den jeweiligen Kulturministern der Mitgliedsstaaten vor; von allen in Deutschland akkreditierten arabischen Botschaftern wird diese Idee befürwortet.


OXP: Darf ich Hafez Khalil Al-Bis, den Vizepräsidenten der Arabischen Verleger Union, zitieren: �Autor und Verlag sind gezwungen, den Launen und Instruktionen von 22 arabischen Zensoren gerecht zu werden, und dies verhindert, daß ein Buch uneingeschränkt auf den Markt kommen kann.� Die Fragmentierung in 22 nationale Buchmärkte und entsprechenden Zensoren werden als hauptsächliche Hinderungsgründe angesehen für einen starken arabischen Buchmarkt angesehen. Welche Lösungen bietet die Arabische Liga?

SQ: Uns ist das Problem bewußt. Während des letzten arabischen Gipfeltreffens in Tunis waren Freiheit und Menschenrechte, Offenheit und Reform die wichtigsten Tagesordnungspunkte. Eine positive Entwicklung diesbezüglich wird sich auch auf das Verlegen von Büchern auswirken. Mit mehr Freiheit werden mehr Autoren in einer besseren Atmosphäre schrieben. Und dies brauchen wir dringend. Wie ich bereits erwähnt habe, leben wir alle in einem globalen Dorf. Im Zeitalter von Satellitenschüsseln und Internet kann man sich nicht mehr vom Rest der Welt abschotten. Man muß sich bewegen, denn die Meinungs-, wie auch die Pressefreiheit werden zunehmend integraler Bestand dieser Welt. Der freie Meinungsaustausch ist sehr wichtig und positiv, zumal man davon niemanden mehr abhalten kann.


OXP: Sowohl arabische wie deutsche Verleger beklagen, daß geistiges Eigentums in der arabischen Welt nur unzureichend geschützt wird. Fehlende Achtung vor Copyright behindert jedoch erfolgreiche Verlagstätigkeit. Was unternimmt die Arabische Liga um diese Situation zu verbessern?

SQ: Die Arabische Liga unterstützt Abkommen zum Schutz des Copyrights ohne Einschränkungen. Aber es muß einen Unterschied gemacht werden zwischen Copyright und Technologietransfer. Nach jahrzehntelangen Sympathieerklärungen, muss auch endlich mit dem Technologietransfer in die Dritte Welt Ernst gemacht werden. Ich unterstütze grundsätzlich den Schutz geistiger Eigentumsrechte, aber dies darf nicht den Technologietransfer an die besonders Bedürftigen behindern.


OXP: In diesem Jahr wurde ein literarisches Buch von Saddam Hussein auf deutsch herausgegeben. Was halten sie von Saddam Hussein als Autor?

SQ: Jeder hat das Recht zu schreiben und jeder kann ein Buch veröffentlichen. Das ist der Sinn von Meinungsfreiheit. Deshalb ist es völlig normal, wenn jemand wie Saddam Hussein ein Buch herausgibt. Seine Rechte sollten genauso geschützt sein wie die eines jeden anderen.

*Erstmalige Veröffentlichung im Orient-X-Press 2004 mit freundlicher Genehmigung des ARABISCHE ALMANACH www.der-arabische-almanach.de




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