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Sonntag, 21.12.2008

Neues BKA-Gesetz wirft kein gutes Licht auf Verfassungspolitik

Muslime sind wieder mal die Leidtragenden - Von Jost Müller-Neuhof

Sieben Jahre nach den Anschlägen in den USA bekommt Deutschland seine Anti-Terror-Behörde. Eine schnelle Reaktion kann man das nicht nennen. Es ging typisch deutsch zu: Grundsätzlich. Skeptisch. Formalistisch. Und zuweilen umständlich. Wenn heute Bundestag und Bundesrat zustimmen, hat das Bundeskriminalamt, das künftig auf Terroristenjagd gehen soll, ein ebensolches Gesetz. Einfach wird es nicht für die Beamten, es zu befolgen. Doch das soll es auch nicht. Wenn Deutsche auf Terroristenjagd gehen, dann nach den Buchstaben der Paragrafen, sorgfältiger Abwägung und mit einer Fülle von Bedenken.

Ein Nachteil ist das nicht. Terroristen hinterherzujagen, ist das eine, dabei Maß und Mitte nicht zu verlieren, das andere. Mit dem BKA-Gesetz ist der schmale Grat begehbar. Dass zuletzt Landespolitiker dritter Ordnung in das Werk pfuschen konnten und es im Parteihändel fast zerbrochen wäre, zeigt, wie sich die Diskussion um die innere Sicherheit wieder normalisiert hat. Dieser Zustand ist ein Gewinn und lässt keine Gesetze zu, die bürgerliche Freiheiten aushebeln. Gute Demokratie und schnelles Handeln passen nicht zusammen. Wenn es eine Lehre aus dem 11. September gibt, dann diese.

Trotzdem war Wolfgang Schäubles Beschwichtigungsrhetorik falsch. Er sprach gern vom Dorfpolizisten, wenn er die neue Macht seiner Bundesbeamten erklären sollte. Formal mag das stimmen. Nur werden Dorfpolizisten nicht mit Millionen aufgepumpt und international vernetzt. Im Ausreizen dessen, was möglich ist, liegen die Chancen der neuen Power-Behörde, hier lauern aber auch ihre Gefahren. So wird die Haushalts- und Personalpolitik für das BKA demnächst zu einer Form aktiven Grundrechtsschutzes. Man sollte ein Auge darauf haben. Unglücklich war zudem, Befugnisse und ihre Grenzen der Urteilssemantik des Verfassungsgerichts nachzubilden. Karlsruhe setzt den konstitutionellen Rahmen, ausfüllen muss ihn der Gesetzgeber schon selbst. Statt zu gestalten, kratzt Schäuble am Rand herum. Das verschafft ihm eine gute Ausgangsposition, wenn es dereinst zum Rechtsstreit kommt, wirft jedoch kein gutes Licht auf seine Verfassungspolitik.

Wer sind die Verlierer? Zuletzt liefen Ärzte, Anwälte und Journalisten Sturm, weil sie sich als Geheimnisträger von Berufs wegen dem Lauschangriff aus Wiesbaden hilflos gegenübersehen. Recht haben sie, es wäre gut gewesen, ihren Schutz zu verbessern. Wenn der islamistische Terror allerdings immer noch das Potenzial hat, das die verantwortlichen Politiker ihm zuschreiben, sind Unterschiede zu akzeptieren. Eine Patientenakte anzulegen ist etwas anderes, als eine Beichte abzunehmen.

Nein, die Verlierer sind die zweitausend muslimischen Vorbeter in Deutschland, die Imame, denen anders als christlichen Geistlichen per Gesetz keine Geheimnisse zugestanden werden. Ein paar „Hass prediger“ werden es rechtfertigen, sie unter Generalverdacht zu stellen und auszuforschen. Ärzte, Anwälte und Journalisten sind wenige darunter, deshalb wird niemand für sie streiten. Dabei sind vor dem Grundgesetz alle Religionen gleich. Es wäre nicht nur Sache der Kirchen gewesen, einmal darauf hinzuweisen.

Mit freundlicher Genehmigung der Tagesspiegel-Redaktion, Erstveröffentlichung vom 19.12.08