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Donnerstag, 13.11.2008

Muhammad Asad – hochkarätig und verkannt ohne frömmelnde Krücken und extremistische Zusatzstoffe

Ein Film über sein Leben ab 27.11.08 in den deutschen Kinos – islam.de bespricht die heutige Filmpremiere "Der Weg nach Mekka" in Berlin schon einmal

Gibt es eine Koran-Übersetzung von einem Juden, der einer strenggläubigen Rabbiner-Familie entstammt? Gibt es einen der bedeutendsten Islamkenner des 20. Jahrhunderts, der ein großer Europäer war? Und gibt es einen Muslim, der auf einem Kamel den langen Weg von Palästina nach Mekka auf sich nimmt und sagt, dass er sich nie näher bei Gott fühlt als in der Wüste und die Hingabe zu Allah dort am besten erfährt?
Ja, es gibt einen solch Hochkarätigen: Wir reden von dem einen und demselben, von Leopold Weiss, der sich später nach seinem Bekenntnis zum Islam Muhammad Asad nannte.

Einer der wenigen echten Brückenbauer zwischen der islamischen Welt und der westlichen, einer der seine europäischen Wurzeln nie aufgab und gleichzeitig am liebsten bei den arabischen Beduinen weilte, die ihm wiederum in ihre Herzen schlossen und Asad zu den ihrigen zählten. Eine Geschichte, wie geschaffen für eine Filmreise. Man wundert sich, warum solch ein Film eigentlich nicht früher entstand und erst jetzt vom Dokumentarfilmer Georg Misch (Calling Hedy Lamarr) aufgegriffen wurde.
Misch reist mit seinem Team zu den Stationen von Asads Leben, beginnend in Lemberg über Wien, Saudi-Arabien, Pakistan, New York, zurück nach Marokko und schließlich Spanien/Andalusien.

Auf dem Weg spricht er mit Verwandten, mit seinen Sohn in New York, mit Beduinen, Anhängern und Gegnern von Asads Visionen , und Verstehern und den Verständnislosen seiner Version vom Islam. Die einzelnen Stationen verbindet er durch plastische Einblicke in Fotoalben und seine einzigartigen Interviews.

Leopold Weiss wurde 1900 in Lemberg (heutige Ukraine) geboren. Als Jude, dessen gesamte Familie in den europäischen Konzentrationslagern ermordet wurde, war er mit den Zuständen im damaligen Palästina nicht glücklich und bewertete die zionistische Bewegung sehr kritisch. Berühmt berüchtigt sind seine Streitgespräche mit Chaim Weizmann, dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation. Laut seinem bekanntesten Buch und Bestseller "Der Weg nach Mekka", nach dem der Film auch benannt und auf dessen Spuren er sich fortbewegt, reiste er 1922 nach Palästina, um seine Onkel zu besuchen und mit folgenreichen Erkenntnissen, wie man später weiß.
Der Korrespondent der Frankfurter Zeitung und bekannte Filmkritiker lebte in Berlin als Journalist und konvertierte schließlich 1926 in der Berliner muslimischen Gemeinde zum Islam.
Asad stand lange Jahre im diplomatischen Dienst und war in seiner letzten Station UN-Botschafter für Pakistan in New York. Übrigens wurde in diesem Jahr der Platz vor dem Haupteingang der UNO-City in Wien zu seinen Ehren „Muhammad Asad-Platz“ benannt, der Film geht darauf auch ein.
Asad pflegte Freundschaften zu den großen muslimischen Denkern und Größen seiner Zeit, wie dem Philosophen Mohammad Iqbal oder dem saudischen König Ibn Saud, dem Gründer Saudi-Arabiens.
Er ist zum Vorbild vieler muslimischer Intellektueller geworden, aus Deutschland allen voran Murad Hofmann und Mohammad Aman Hobohm, oder der verstorbene bosnische Staatspräsident Alija Izetbegovic, um nur einige zu nennen.

Es ist eine fast unmögliche Aufgabe des Regisseurs Georg Misch, nun diesen Geist in seinem Wesen und in seinem Schaffen vollständig aufzuspüren und ein Stück seines Weges, seine Lebensreise nachzuzeichnen. Viele Details und Bereiche mussten notgedrungen wegfallen. Das Projekt, das Wagnis als solches hat sich auf jeden Fall gelohnt, auch wenn manche Aktualisierung ein wenig hausbacken und vordergründig ausfiel.
Wie z.B. die Kritik am Zionismus vor dem Hintergrund der israelischen Mauer oder die peinliche Vorstellung eines Beduinen, der die verlorenen Traditionen beklagt und den Zuschauern dies ungewollt plump vorexerziert, indem er aufs Kamel steigt, um gleich danach von ihm runter geworfen zu werden, weil er erst jetzt merkt, das er nicht mehr reiten kann.

Regisseur Georg Misch geht es nicht um Details, er will Tragisches, Schmerzhaftes, Humoristisches zwischen den vermeintlich untrennbaren Welten des Islam und des Westen aufzeigen. Viele der Szenen sind wie zufällig erhaschte Dialoge und Gespräche - sie sind wirklich, sie beeindrucken durch ihre Skurrilität und wirken bisweilen urkomisch.

Misch erzählt selber kaum, er lässt die Leute in dem 90 minütigen Film reden. Kein maßgeschneiderter Kommentar, kein zurechtgeschnittener Wörterschwall, immer die ganze „Packung“ - wohltuend und anstrengend zugleich: Beispielsweise begibt er sich im Rahmen des Interviews mit Asads Sohn an den Ground Zero. Dort steht eine Frau und warnt schrill und schräg vor dem Islam.
Peinlich berührt wendet man sich ab, wünscht sich nichts Sehnlicheres, als dass die Kamera endlich weg schwenkt, aber nein, der Weltuntergangs-Singang nebst Plakat wird bis zum bitteren Ende gezeigt.

Oder wo sich zwei jüdische Freundinnen im Dialog versunken, anerkennend dem Juden Leopold nähern und in wunderbarer leicht verständlicher Form das Glaubensbekenntnis der Muslime erklären, dabei mehr über den Muslim Muhammad Asad preisgeben, als so manche stolze Rede über ihn aus muslimischen Munde. Fast neidisch wird man, welch beinah unverschämtes Glück der Filmer Misch besitzt, solch Szenen in den „Kasten“ einzufangen.

Beantwortet der Film, der ab dem 27. November in den deutschen Programmkinos anläuft, wer nun Muhammad Asad wirklich war? War er nun ein muslimischer Reformer, ein rebellischer Jude oder nur einfach seiner Zeit voraus und deshalb nicht selten verkannt?

Zumindest führt uns der Film eindrucksvoll vor Augen, dass Asad in unsere heutige Welt und Zeit genau passen würde, einer, den wir deswegen schmerzlich vermissen und der aber auch Schmerzhaftes zu sagen pflegte.

In einem Gespräch resümierte er kurz vor seinem Tod im Jahr 1992 lapidar: „Ich hab mich in den Islam verliebt, aber ich hab die Muslime überschätzt.“

So hat Asad sein „Muslim sein“ nicht einfach nur zur Schau gestellt. Er hat im übertragenen Sinne versucht danach zu leben, indem er „sich Gott vollständig hingibt“, ohne frömmelnde Krücken und ohne extremistische Zusatzstoffe.

Filmpremiere diesen Do in Berlin und nächste Woche in Köln (18.11.08)
Filmstart ist der 27.11.08 in den deutschen Programm-Kinos (bitte unterschiedliche Anfangstermine beachten oder siehe: http://www.mindjazz-pictures.de)