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Donnerstag, 02.10.2008

"Vielleicht wäre es besser gewesen, Professor Kalisch wäre selbst zurückgetreten" - Von Alexander Görlach

Was muss ein Professor für islamische Theologie glauben? Der erste seiner Art überhaupt in Deutschland, der Konvertit Muhammad Sven Kalisch, war als Hoffnungsträger an den Lehrstuhl in Münster gegangen. Wenige Jahre später ist er in den Augen gläubiger Muslime zum Ketzer geworden. Kalisch glaubt nicht mehr, dass Muhammad wirklich gelebt hat. An den Koran als Gottes wortwörtlich geoffenbarte Rechtleitung auch nicht mehr. Für die Vertreter der islamischen Gemeinden in Deutschland kann einer wie Kalisch nicht mehr die Ausbildung von islamischen Religionslehrern verantworten.

Auch die Kirchen können bei den Universitäten Widerspruch einlegen, wenn jemand zum Professor berufen werden soll, der nicht die Lehrmeinung der Kirche teilt. Auch die Abberufung ist denkbar und bisweilen schon praktiziert worden.

Was die Muslime nun fordern, steht ihnen in gewissem Maße zu, wenn man auf die Rechte der christlichen Kirchen schaut. Auf der anderen Seite ist die islamische Glaubensgemeinschaft ein vielschichtiges Gebilde, das, anders als die Kirchen, nicht ausreichend in Organisationen gefasst und strutktuiert ist, die gegenüber den staatlichen Autoritäten definieren, was der islamische Glaube sei.

Kalisch hat die junge islamische Gemeinde in Deutschland ebenso wie die Universität Münster in eine schwierige Situation gebracht. Die Wissenschaft ist frei und das muss in jedem Fall auch so bleiben. Ob man, wenn man ihre grundlegenden Überzeugungen nicht mehr teilt, weiterhin an einem Lehrstuhl unterrichten will, der eine Symbolkraft für die Integration einer Glaubensgemeinschaft hat, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht wäre es besser gewesen, Professor Kalisch wäre selbst zurückgetreten.

Zum Autor: Der Vollblutjournalist Dr.Alexander Görlitz ist Kolumnist bei www.zoomer.de und Ressortleiter bei Cicero. Er schreibt regelmäßig Artikel in allen großen Tageszeitungen

Erstveröffentlichung in www.cicero.de, mit freundlicher Genehmigung des Autors