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Montag, 16.06.2008

Nahosten: „Wie kann man Sicherheit gewinnen außer mit Vertrauen?“ - Friedesnaktivist Alfred Grosser ist neuster Grünhelme-Kurator

Geboren wurde er am 1. Februar 1925 in Deutschland, als Sohn eines deutsch-jüdischen Kinderarztes, der Direktor der Kinderklinik in Frankfurt war. Dieser Arzt war Sozialdemokrat, Freimaurer und eben Jude. Weshalb die Grossers schon 1933 nach Frankreich emigrierten.
1937 schon wurde Alfred Grosser französischer Staatsbürger, studierte Politikwissenschaften und Germanistik und wurde 1955Dozent und Professor am „Institut d’Etudes Politques de Paris“. Als Lehrstuhlinhaber und Direktor wurde er 1992 emeritiert. Aber seine wichtigste Rolle führte er mit unverminderter Kraft fort. Es war die des „Mittlers zwischen Franzosen und Deutschen, Ungläubigen und Gläubigen, Europäern und Menschen anderer Kontinente“. So hatte es der damalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Paul Frank, in seiner Lobrede auf Prof. Alfred Grosser formuliert, der 1975 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt.
Seit dieser Zeit ist er immer wieder unterwegs zwischen den beiden Nationen, deren Versöhnung und Frieden ihm eine Vernunft- und Herzens-Angelegenheit ist. In seinem letzten schönen Buch „Wie anders ist Frankreich?“ (München 2005) hat er das schon 2002 erschienene Buch „Wie anders sind die Deutschen?“ ergänzt. Immer waren und sind das Bücher, die sowohl hüben wie drüben, diesseits und jenseits des Rheins große Aufmerksamkeit bekommen haben. „Über Deutschland denke, rede und schreibe ich gewissermaßen als Begleiter von draußen, der zwar seit 1947 versucht, im Land dabei zu sein, aber doch ohne dazu zu gehören“. In Frankreich gehört er dazu: Nicht nur, weil er, nach acht Jahren deutscher Kindheit, seit 1933 in Frankreich lebe, sondern weil „meine persönliche Identität von Frankreich tief geprägt wurde“.
Er müsse auch mehr aufpassen, wenn er über Frankreich schreibe, als wenn er über Deutschland schreibe, denn er muss sich andauernd fragen: “Denke ich so, schreibe ich das, weil meine französische Prägung mir dieses oder jenes als gut oder gar als selbstverständlich erscheinen lässt?“

Grosser hat immer wieder auf das Unrecht an den Palästinensern verwiesen, das es neben dem gibt, das Israel angetan wurde und wird. In einem Interview im letzten Jahr hat er noch einmal seine Position deutlich gemacht, die für uns GRÜNHELME und unsere Arbeit mit und für Palästinenser auif der Westbank und möglicherweise auch im Gaza Streifen besonders wichtig ist: Auf die Frage: Was die EU tun soll?, hat Grosser geantwortet;:„Mindestens, dass Israel nicht wie im Libanon, im Westjordanland und Gaza zivile Infrastruktur zerstört, die die EU bezahlt hat. Ich verstehe nicht, warum die Deutschen, die doch leidvolle Erfahrungen mit Mauern haben, nicht empfindlicher auf Mauern reagieren, die Israel im Westjordanland baut.“
Darauf wirft der deutsche Interviewer ein:
In israelischer Lesart sei die Mauer ein Zaun, der für Israels Sicherheit notwendig sei?!
Grosser:„Das stimmt nicht. Das ist eine Grenze, die Palästina durchschneidet und die Bevölkerung ebenso demütigt wie die Checkpoints.“
Darauf kommt die Frage, auf die in Deutschland beim Verlauf eines solchen Gespräches niemand verzichtet: „Sind Sie nicht einseitig?“

Grosser sagt darauf sehr eindrucksvoll:
„Ich bin als kleiner Jude 1933 in Frankfurt gedemütigt worden. Ich kann nicht verstehen, dass Juden demütigen. Es geht auch um das Verständnis für das Leid der anderen.“

Ob es nicht einfach naiv wäre, von Israel zu verlangen, die Friedenstaube zu starten. Darauf hat Alfred Grosser, unser großer Ratgeber in Paris, nur geantwortet: Wieso naiv? Seit 40 Jahren sei die Lage unsicher. „Wie kann man Sicherheit gewinnen außer mit Vertrauen?“ Und dieses Vertrauen werde immer weniger entstehen. „Wenn zum Beispiel die israelischen Bürger moslemischen Glaubens auch misshandelt, auch gedemütigt werden, ist das kein Fortschritt für die Zukunft.“ (Rupert Neudeck)